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Kundensegmentierung

Die Kundensegmentierung ist eines der am meisten diskutierten Konzepte im Kundenbeziehungsmanagement. Schon immer gab es Kunden mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Einstellungen. Die Segmentierung soll Organisationen dabei unterstützen, eine Differenzierung aufgrund eines auf das jeweilige Segment optimal abgestimmten Kundenbeziehungsmanagements zu erzielen.

Als Kundensegmentierung wird eine Aufspaltung des Kundenstamms in homogene Gruppen, die untereinander heterogen sind, verstanden. Sie stellt die Basis eines differenzierten Kundenbeziehungsmanagement dar.

In der Praxis wird das Kundenbeziehungsmanagement aber nach wie vor nach dem „Giesskannenprinzip“ oder dem „Schrotflintenprinzip“ umgesetzt. Den Kunden wird das gleiche (günstige) Erlebnis geboten, und wer zugreift, hat vielleicht gewonnen oder verloren. Das Kundenbeziehungsmanagement erfolgt undifferenziert, und meist leiden die Effizienz für die Organisation und die Begeisterung für die Kunden unter dieser Vorgehensweise. Aber warum ist
das so?

Kundensegmentierung

Aus unserer Sicht wird Kundensegmentierung zu einseitig verstanden. Kundensegmentierung hat eine duale Ausrichtung. Diese Dualität gilt es genau zu verstehen. Eine kundenorientierte Organisation sollte grundsätzlich eine Segmentierung für das Kundenbeziehungsmanagement einsetzen. Somit ist die Segmentierung, wie in den vielen Ausführungen dargestellt, ein wesentliches Element der Kundenorientierung. Dabei richtet sich die Kundenorientierung auf den Wert für den Kunden und für die Organisation aus (Customer-Firm Value). Das Kundenbeziehungsmanagement soll Investitionen in die Kundensegmente tätigen, die der Organisation den grössten Wertzuwachs in der Zukunft ermöglichen können. Diese Prämisse ist die Grundlage für die weiteren Ausführungen. Es wird nicht segmentiert, weil es möglich ist (im Sinne von: weil die Kunden verschieden sind), sondern weil die Segmentierung die Steigerung des Customer-Firm Values unterstützt.

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Markterfassung als eine Seite der Kundensegmentierung

Wie bereits ausgeführt, sind die Gewinnung und Nutzung von Kundenerkenntnissen wichtige Elemente der Kundenorientierung. Mit Bezug auf die Kundensegmentierung wird dies als Markterfassung bezeichnet.

Die Markterfassung bezeichnet das Ziel, das Kundenverhalten im Sinne von
Kundenerkenntnissen möglichst gut in Bezug auf die Zielsetzung der Organisation zu verstehen.

Die Markterfassung kann für die Abgrenzung des relevanten Marktes, die Bestimmung der relevanten Marktsegmente sowie das Auffinden von Marktlücken eingesetzt werden. Somit stehen Kundendaten bzw. die Gewinnung von Kundenerkenntnissen im Vordergrund dieses Teiles der Kundensegmentierung. In der Vergangenheit war es meist ausreichend, auf einfache Kundendaten wie
bspw. Alter und Geschlecht zurückzugreifen, um unterschiedliche Marktsegmente zu identifizieren. Es existierten klare Markenpräferenzen der Geschlechter, und das Alter korrelierte in den meisten Angebotskategorien mit der Kaufkraft. Mittels der Nutzung von Alter und Geschlecht (soziodemografische Daten) konnten sich Organisationen vom Wettbewerb differenzieren und ihren Wert steigern. Heute helfen Alter und Geschlecht meist nicht mehr, um stabile Marktsegmente zu bestimmen. Immer mehr Frauen kaufen vermeintliche „männliche“ und immer mehr Männer vermeintliche „weibliche“ Automarken. Manche jungen Menschen geben all ihr Geld für Autos aus (vor allem im Aargau) und immer mehr ältere Menschen werden auf das Auto verzichten. Zwar gibt es noch Unterschiede zwischen Alter und Geschlecht, aber diese verschwimmen immer mehr. Darüber hinaus besitzen die meisten Organisationen die Möglichkeit, soziodemografische Daten auszuwerten und für das Kundenbeziehungsmanagement zu nutzen. Im Ergebnis belegen Studien, dass sich Angebote und Marken immer mehr gleichen, auch weil die gleichen Daten für die jeweiligen Entscheidungen zugrunde lagen. Wenn alle die gleichen Daten nutzen, werden die Entscheidungen bzw. die Ergebnisse mehr oder weniger identisch sein. Inzwischen besteht für die Markterfassung die Möglichkeit, basierend auf dem Kundenverhalten und dem Customer-Firm Value höherstehende Segmentierungsansätze einzusetzen. Diese Segmentierungskriterien sind hilfreich, um Differenzierung und Wertsteigerung zu stärken. Als Beispiel kann der Unterschied zwischen NPS® (Einstellung) und tatsächlicher Weiterempfehlung (Verhalten) ausgemacht werden. Eine Organisation, die für jeden einzelnen Kunden wissen würde, wie oft dieser und – noch besser – an wen er die eigene Organisation weiterempfiehlt, könnte dies für ein effizienteres Kundenbeziehungsmanagement nutzen. An dieser Stelle ist ein großes Aber angebracht. Die allermeisten Organisationen wissen dies eben nicht bzw. haben keine Daten bezüglich der tatsächlichen Weiterempfehlung jedes einzelnen Kunden.

Kunden-segmentierung

Das Thema Kundensegmentierung wird umfassend von Seite 234 ab in unserem Buch Kundenorientierung vorgestellt.
Buch

Markbearbeitung als eine Seite der Kundensegmentierung

Die zweite Seite (Aktionsseite) der Kundensegmentierung ist die  Marktbearbeitung. 

Markbearbeitung bezeichnet die Nutzung der entwickelten Segmentierung(en) für das Kundenbeziehungsmanagement durch den Einsatz der Instrumente.

Im Gegensatz zur Markterfassung steht nicht die Gewinnung von Kundenerkenntnissen, sondern deren Nutzung im Zentrum der Marktbearbeitung. Wie am Beispiel der getätigten Weiterempfehlung wäre es für eine Organisation wertvoll zu verstehen, welcher Kunde tatsächlich weiterempfiehlt. In der Praxis liegen diese Informationen auf individuellem Niveau meist nicht vor. Somit muss sich die Marktbearbeitung, im Gegensatz zur Markterfassung, auf die bestehenden Kundendaten in der Organisation beschränken.

Es wird der hohe Stellenwert des Kundendatenmanagements für die Verbesserung der Kundenorientierung deutlich. Wenn eine Organisation nur soziodemografische
Daten über die Kunden besitzt, können auch nur genau diese für die Marktbearbeitung eingesetzt werden. Zwar kann die Organisation im Rahmen der Markterfassung z. B. mittels einer Kundenbefragung den Customer Purchase Process oder die tatsächliche Anzahl an Weiterempfehlungen ermitteln, diese Erkenntnisse können aber nur unter sehr grossen Anstrengungen und mit einem meist zu hohen Fehlerterm in der Marktbearbeitung genutzt werden. Der Fehlerterm ergibt sich daraus, dass nur ein kleiner Anteil an Kunden an einer Kundenbefragung teilnimmt. Im Anschluss gilt es, „Krücken“ wie bspw. das Alter zu ermitteln, die eine unterschiedliche Stärke an Weiterempfehlung verbindet. Die eigentlich hohe Datenqualität aufseiten der Markterfassung geht bei dem Versuch aufgrund der fehlenden individuellen Daten über jeden Kunden aufseiten der Marktbearbeitung wieder verloren. Die Ausführungen zeigen das zentrale Problem der Kundensegmentierung in der Praxis auf. Aus unserer Sicht sind sich zu viele Verantwortlichen dieses Problems überhaupt nicht bewusst. Eine weitere Herausforderungen, die eng mit der Kundensegmentierung verbunden ist, aber ebenfalls nicht immer klar zu sein scheint, ist die Anforderung an die Wertsteigerung. Während die allermeisten Organisationen immer noch keine Segmentierung im Alltag nutzen, entwickeln andere Organisationen zu viele Segmente. Dies führt zwangsläufig zu einer hohen Komplexität im Kundenbeziehungsmanagement und der Herausforderung, die einzelnen definierten Segmente so zu bearbeiten, dass der hohe Aufwand auch zu einer Gewinnsteigerung führt. Die Anzahl an Segmenten hat einen großen Einfluss auf die Kosten für die Inhaltserstellung. Damit Kampagnen, Angebote und Touchpoints auf die jeweiligen Segmente ausgerichtet werden können, sind Investitionen notwendig. Eine zu große Anzahl an Segmenten kann zwar zu einer Wertsteigerung für die Kunden führen, aber gleichzeitig zu einer Wertvernichtung für die Organisation. Somit empfehle ich, zu Beginn Überlegungen anzustellen, wie viele Segmente aus finanzieller Sicht überhaupt sinnvoll sind, bevor zu „fein“ segmentiert wird. Jede Organisation muss entscheiden, welche Segmentierungsstrategie zum Einsatz kommen sollte. Inzwischen kursieren Ideen, möglichst individuell auf den Kunden einzugehen bzw. eine individuelle Segmentierung zu verwenden. Dies setzt aber hohe Kompetenzen im Bereich Kundendatengewinnung und -nutzung voraus, die die allermeisten Organisationen noch nicht besitzen. Somit wird meist mit zwei bis vier Segmenten in der Praxis gearbeitet oder eben mit überhaupt keiner Segmentierung.

Der Prozess der Segmentierung

Der Prozess wird in der Abbildung oben dargestellt.

Wichtig ist es, in einem ersten Schritt die Zielsetzung genau zu bestimmen. Soll die Kommunikation verbessert werden, soll die Kundenakquise verbessert werden etc. Je nach Zielsetzung empfehlen sich womöglich unterschiedliche Segmentierungen. Kundenorientierte Organisationen verfügen meist nicht über nur eine Segmentierung, sondern es sind mehrere Segmentierungen für das jeweilige Anwendungsgebiet im Einsatz. Wichtig dabei ist, dass alle über die Dimension der Wertentwicklung miteinander verbunden sind. So ist es nicht hilfreich, wenn bspw. die Kommunikationsabteilung auf Basis von Lebensstilen segmentiert und kein Verständnis des Kundenwerts vorliegt. Auf der anderen Seite nutzt der Verkauf nur eine Kundenwertsegmentierung und blendet die Lebenswelt der Kunden bei seinen Aktivitäten völlig aus. Nach der Abgrenzung des relevanten Marktes gilt es, die relevanten Segmentierungskriterien vor dem Hintergrund der Anforderungen an Markterfassung und Marktbearbeitung zu bestimmen. Anschliessend müssen die relevanten Segmente bestimmt werden. Die gewonnenen Informationen über die einzelnen Segmente sind im Rahmen der Markterfassung für die Entscheidungsfindung zu nutzen. Abschließend werden die einzelnen Segmente auf Basis der getroffenen Entscheidungen bearbeitet. 

Immer wieder hören wir, die grösste Herausforderung bei der Kundensegmentierung liege in der Messbarkeit. Wieso hält sich dieser Eindruck so hartnäckig? Inzwischen ist alles und jeder messbar bzw. vermessbar. Viele Messungen wie Online-Kundenbefragungen und Online-Analytics der eigenen Webseite sind nicht mal teuer. Die eigentliche Herausforderung bei der Segmentierung vor dem Hintergrund multioptionalen Kaufverhaltens liegt in der Verhaltensrelevanz. Erlaubt mir die Kundensegmentierung wirklich, das zukünftige Verhalten meiner Kunden optimal zu verstehen und zu beeinflussen? Dazu müssen die Daten auf individuellem Niveau vorliegen, und dies kann schnell die Anforderung an die Wirtschaftlichkeit verletzen (wobei inzwischen viele Möglichkeiten existieren, die Kosten zu senken, die aber kaum genutzt werden). Neben diesen Anforderungen gilt es, bei der Auswahl der Segmentierung vor allem zu berücksichtigen, dass Markterfassung und Marktbearbeitung zieladäquat zu integrieren sind. Die Handlungsfähigkeit der Kundensegmentierung steht im Zentrum der Bewertung. In der Praxis segmentieren immer noch zu viele Organisationen mit bestehenden Daten zu Soziodemografie, Angebotskauf etc. Somit gilt es, in einem ersten Schritt „bessere“ Daten über die Kunden zu besitzen, da in stark ausdifferenzierten Märkten der Kunde (nicht im Sinne von Alter und Geschlecht) in das Zentrum der Segmentierung gerückt werden sollte.