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Ein Blick hinter die Kulissen: Die Kunst der Sonderkondition-Vergabe bei Bankkrediten

Blog Beitrag von Patrick Fernandes.

 

In diesem Blog-Beitrag geht es um die Vergaben von Rabatte (auch Sonderkonditionen genannt) bei Bankkrediten. Sonderkonditionen ist nicht nur ein Lockmittel, sondern grundsätzlich auch ein Zeichen von Wertschätzung gegenüber den Kunden. Aus der Autors Erfahrung in der Bankwelt, speziell im Bereich der Vergabe von Privatkrediten, Firmenkrediten und Hypotheken, konnte beobachtet werden, wie die fehlende Klarheit hinsichtlich der Vergabe von Sonderkonditionen, zu verpassten Chancen führen kann. Basierend aus dem Fachwissen aus dem CAS Sales Management an der HWZ und der praktischen Erfahrung, teilt der Autor mit, wie Banken ihre Sonderkondition-Systeme optimieren können.

Dass die Preisdisziplin in vielen Unternehmen zu wünschen übrig lässt, ist kein Geheimnis. Die Gründe sind vielfältig und tief verwurzelt in der Struktur und Kultur der Organisationen. Aber wer trägt die Verantwortung für die Vergabe von Rabatten, und warum scheint es so schwer zu sein, eine einheitliche Linie zu finden?

Quelle: Sales Excellence (2016); C. Homburg, H. Schäfer & J. Schneider; Kapitel 5.4 (S. 83 – 87)

Wer soll die Rabatte vergeben?

Oft ist unklar, wer die Rabatthoheit besitzt. Verschiedene Abteilungen oder Personen treffen unkoordiniert Entscheidungen bezüglich der Rabatte, sodass die Nettopreise in unterschiedlicher Weise beeinflusst werden. Zum Beispiel kann im Kundendienst aufgrund einer Kundenreklamation ein Rabatt gewährt werden, während die Buchhaltung durch die Festlegung von Zahlungszielen Rabattierungen vornimmt. Insbesondere in den Vertriebseinheiten ist zu beobachten, dass die Vorgehensweise bei der Rabattvergabe sehr eigenständig ist. Nur in seltenen Fällen existiert ein zentrales Gremium, das die finale Rabattentscheidung trifft.

Werden Rabatte überhaupt gemessen?

Nur wenige Unternehmen haben Prozesse oder Messverfahren definiert, um die Entwicklung der Preisgestaltung oder, in diesem Fall, die Vergabe von Rabatten zu beobachten. Dies führt folglich dazu, dass Rabattentscheidungen oft auf Basis unzureichender Informationen getroffen werden, also überwiegend aus dem Bauch heraus: „Der Wettbewerb ist viel günstiger.“

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Der Fehler, Verkäufer ausschliesslich anhand des Umsatzes zu messen

Oft werden die jährlichen Zielsetzungen für Verkäufer/innen so definiert, dass sie ausschliesslich auf Grundlage des Umsatzes bewertet werden. Das heisst, die Vergabe von Rabatten ist kein Bestandteil ihrer Zielsetzungen. Dies schafft einen Anreiz für Verkäufer/innen, Umsatz auf Kosten der Vergabe von Rabatten zu generieren. Die Rabattvergabe wird folglich als Mittel zum Zweck für das Erreichen der Ziele eingesetzt – auf Kosten des Gewinns für das Unternehmen.

Rabatte werden also oft willkürlich und ohne strategische Orientierung vergeben. Die Konsequenzen für ein Unternehmen können über die Zeit katastrophal sein. Die unkoordinierte oder unsystematische Vergabe von Rabatten kann zudem dazu führen, dass kleinere, weniger attraktive Kunden (z.B. solche mit geringem Umsatzvolumen) mit hohen Rabatten bedacht werden, während grössere Kunden verhältnismässig wenig Rabatte erhalten.

Die zuvor genannten Situationen sind sicherlich nicht abschliessend. Es gibt natürlich weitere Gründe oder Umstände, unter denen Rabatte nicht optimal eingesetzt werden. Nun stellt sich die Frage, welche sind die Kriterien oder Prinzipien, die bei der Vergabe von Rabatten zu berücksichtigen sind?

– Kundensegmentierung: Durch die Definition und klare Abgrenzung von Kundengruppen können Rabatte differenziert und optimal eingesetzt werden.

– Leistungsorientierung: Die Rabattvergabe sollte an die Gegenleistung des Kunden gekoppelt sein.

– Komplexitätsabgrenzung: Die Anzahl der Rabattstufen oder -arten sollte möglichst reduziert oder sogar vereinheitlicht werden. Das Verwalten von zehn oder mehr verschiedenen Rabattarten ist schlichtweg ineffizient.

– Transparenz: Zugang zu Informationen über das Rabattsystem sollte nicht nur den Mitarbeitenden, sondern auch den Kunden gewährt werden. Wenn Mitarbeitende das Rabattsystem und dessen Ziele verstehen, kann dies die Anwendung positiv beeinflussen. Für Kunden kann Transparenz Vertrauen schaffen.

– Konsequenz bei der Anwendung: Die konsequente Anwendung des Rabattsystems ist essenziell. Sollte ein Kunde das erforderliche Umsatzvolumen nicht erreichen oder eine vereinbarte Gegenleistung nicht mehr erbringen, muss der Rabatt entsprechend angepasst oder zurückgenommen werden.

Wenn wir uns nun die Finanzwelt anschauen, wird deutlich, dass auch Banken von den zuvor genannten Situationen betroffen sind. Dies bestätigt der Autor aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen. Besonders bei Krediten – sei es Hypotheken, Firmenkredite oder Konsumkredite – zeigen die Rabattsysteme Handlungspotenzial. Im Folgenden werden aus der Sicht des Autors wichtige Aspekte genannt, denen Banken bei der Implementierung oder Optimierung von Rabattsystemen mehr Bedeutung beimessen sollten.

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SalesX und Innovation ist der Podcast zu den neusten Entwicklungen im Vertrieb und Innovationsmanagement. Jörg und Patrick stellen Modelle, Ansätze und Erfahrungen aus der Praxis vor und beleuchten aktuelle Fragestellungen aus der Vertriebs- und Innovationsperspektive. SalesX und Innovation ist der wöchentliche Gedankenaustausch zweier Menschen, die sich persönlich zugetan, aber nicht immer einer Meinung sind. Immer Freitags, überall wo es Podcasts gibt.
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Prozesse

Banken verfügen immer über Prozesse, die die Vergabe von Sonderkonditionen dokumentieren. Allerdings ist zu beobachten, dass in vielen Banken die Berater/innen eine totale oder zumindest grosse Entscheidungsfreiheit besitzen, wenn es um die Vergabe von Sonderkonditionen geht. Dies mag auf den ersten Blick vorteilhaft erscheinen, führt jedoch zu Inkonsistenzen in der Vergabe. Es ist grundsätzlich wichtig, eine gewisse Flexibilität zu bewahren, um auf individuelle Kundensituationen reagieren zu können. Ein möglicher Prozessansatz, um die Sonderkonditionen strategisch im Einklang mit den Zielen der Bank zu setzen, wäre, dass mit steigendem Preisnachlass auch die hierarchische Ebene der genehmigenden Instanz höher sein sollte.

Zielsetzung

Oftmals werden Berater/innen nicht – oder zumindest nicht direkt – anhand der Vergabe von Sonderkonditionen bewertet, was erfahrungsgemäss zu Inkonsistenzen führt. Um eine konsistente Linie zu etablieren und ein durchgängiges Verständnis für die Vergabe von Sonderkonditionen durch alle Hierarchieebenen hinweg zu schaffen, ist es essentiell, dass die Vergabe von Sonderkonditionen als Leistungsindikator (KPI) in die Zielvorgaben aller Bankmitarbeiter einfliesst. Dies könnte beispielsweise durch die Festlegung eines bestimmten Werts in Basispunkten realisiert werden, der – je nach Geschäftsvolumen gewichtet – nicht überschritten werden darf. Eine solche Massnahme fördert eine verantwortungsbewusste Vergabe von Sonderkonditionen und trägt gleichzeitig dazu bei, die Ziele der Bank zu unterstützen.

Verkaufsfähigkeit

Eine hohe Abhängigkeit von Sonderkonditionen kann die Verkaufsfähigkeiten der Berater/innen beeinträchtigen. In anspruchsvollen Verhandlungen mit Kunden sollte der Fokus darauf liegen, die Dienstleistung hervorzuheben, indem z.B. Value-Added Services kommuniziert werden. Eine Abhängigkeit zu Sonderkonditionen kann daher die Verkaufskompetenzen kurz -oder langfristig negativ beeinflussen.

Risikobewertung des Kunden

Bei der Vergabe von Hypotheken oder Krediten ist die Risikobewertung eines Kunden unerlässlich. Das Kundenrisiko beeinflusst unter anderem entsprechend die Höhe des Kreditzinses. Idealerweise sollten Kunden mit geringerem Risiko durch niedrigere Zinssätze oder bessere Sonderkonditionen belohnt werden, während Kunden mit höherem Risiko weniger Vergünstigungen erhalten sollten. Diese faire und risikobewusste Vergabe wird in der Praxis jedoch nicht immer konsequent umgesetzt.

Controlling & Reporting

Die Überwachung sowie Analyse der Sonderkonditionen ist ein wichtiger, jedoch oft vernachlässigter Aspekt. Oft werden durchschnittliche Zinssätze oder Margen analysiert und darauf basierend Massnahmen für die Preisgestaltung definiert. Ein detailliertes Reporting, das über die Vergabe von Sonderkonditionen hinausgeht und auch die Gesamtmarge der Bank oder des Produkts umfasst, wäre wesentlich aussagekräftiger. Dies würde ein solides Fundament bieten, um die Strategie bezüglich Preisgestaltung oder Sonderkonditionen zu verfeinern und an die Marktbedingungen anzupassen.

Gegenleistungen des Kunden

Die Verknüpfung von Sonderkonditionen mit einer Gegenleistung des Kunden kann für beide Seiten vorteilhaft sein. Eine sehr oft beobachtete Situation bei der Vergabe von Hypotheken ist: Wenn ein Kunde bereit ist, sein Vermögen bei der kreditgebenden Bank zu hinterlegen, kommt diese ihm oft beim Hypothekenzins entgegen.

Es ist immer das Ziel, sowohl für die Bank als auch für den Kunden, das beste Angebot zu finden. Aus Sicht der Bank – oder generell eines Unternehmens – sollte jedoch der Fokus nicht auf dem niedrigsten Preis, sondern auf dem grössten Wert liegen. Banken, die diesen Ansatz verstehen und umsetzen, werden nicht nur überleben, sondern können auch eine vielversprechende Zukunft gestalten. Denn entscheidend ist der langfristige Erfolg, nicht der schnelle Gewinn.