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 Onlineshops für FMCG

 Onlineshops für FMCG von Philipp Scheiwiler.

Digitalisierung ist einer der wichtigsten aktuellen Megatrends und hat die Welt in den letzten 30 Jahren mehrmals revolutioniert. Insbesondere die Erfindung des Internets war ein massgebender Treiber für unzählige neue Geschäftsmodelle. Dies hat auch beim Verkauf von schnelldrehenden Konsumgütern (FMCG) keinen Halt gemacht. Anders, als in anderen Wirtschaftszweigen, ist hier der Wandel allerdings noch voll im Gange: Im untersuchten Zeitraum von 2013 – 2017 stieg der Onlineanteil aller verkauften Konsumgüter von 0.7% auf 1.2% an. Im Vergleich dazu erlebte der Onlineanteil am gesamten Retailumsatz bereits eine Verdoppelung auf 10.1%. Dies zeigt den hohen Stellenwert von Onlineshops für FMCG inzwischen haben.

Quelle: Fornari, E., Grandi, S., & Fornari, D. (2018). Retailing 4.0: The New Era of E-commerce in Fast Moving Consumer Goods. Symphonya, 2, 77 – 90. 

Der stationäre Handel hat insbesondere in den westlichen entwickelten Wirtschaftsnationen eine enorme Machtposition. Dies gilt auch in der Schweiz, in der sich vor allem zwei Retailer durch Konsolidierung und Zukauf ein Imperium in verschiedenen Wirtschaftszweigen aufgebaut haben. Das Interesse einer fundamentale Weiterentwicklung des Onlinehandels ist für die zwei Riesen allerdings klein. Hauptgrund dafür sind die aktuell niedrigeren Gewinnmargen im Onlinehandel gegenüber dem stationären Handel. Daher werden die Kunden lieber in den physischen Verkaufsstellen behalten, als diese auf die weniger profitable Onlineplattform zu migrieren. Gleichzeitig befindet sich der Onlinehandel noch in einer frühen Phase des Lebenszyklus, was den Konsumentenpull für eine verstärkte Online- oder Multi-Channel-Lösung noch nicht stark genug macht. Die Motivation für den stationären Handel einen zusätzlichen Onlinestore zu betreiben ist also meistens nur taktischer Natur. Ganz anders sieht es für anbietende FMCG Unternehmen aus. Diese haben ein grosses Interesse Onlineshops für FMCG zu etablieren. Hier bieten sich den zusätzlichen Kanal etliche Chancen:

  • Risikodiversifizierung: Durch einen Onlineshop können sich Anbieter vom stationären Handel und Vertriebspartnern lösen und einen echten zusätzlichen Vertriebskanal als Alternative aufbauen. Dadurch werden u.a. die Abhängigkeit von Abnahmemengen und Zugeständnisse bei Zusatzleistungen in Form von Werbekostenzuschüssen umgangen.
  • Angebot: Gleichzeitig bestimmt das Unternehmen das Produktangebot und die Preisgestaltung des eigenen Onlineshops selbst. Durch das Ausschalten von Intermediären kann deren Marge einbehalten werden.
  • Informationssammlung: Ein Onlineshop ermöglicht den direkten Kundenkontakt. Durch die im Such- und Klickverhalten hinterlassene Datenspur, wird eine detailgenaue Segmentierung und damit eine verbesserte und vor allem individuelle Kundenansprache möglich.
  • Markenpräsenz: Durch das Internet, ist der Onlineshop aus der ganzen Welt und 365 Tage im Jahr einsehbar. Dies bietet Exposure zu (potenziellen) Kunden und erleichtert im Falle einer geplanten Expansion den Einstieg in neue Märkte
  • Der Verkauf von Lebensmittel über das Internet bietet allerdings auch Einschränkungen, die sich ein Unternehmen beim Aufbau eines Onlineshops bewusst sein muss:
  • Technische Voraussetzungen: Der Start eines eigenen Onlineshops für FMCG scheint einfach und wird durch Einstiegsplattformen wie bspw. Amazon zusätzlich erleichtert. Einer der grössten Stolpersteine für offline-native Unternehmen, die den Eintritt in den Onlinehandel machen, ist eine funktionierende und automatisierte Systemlandschaft. Oftmals ist ein signifikantes Investment notwendig, um das Onlinegeschäft an die bestehenden EDV-Strukturen anzubinden und die Abläufe zu automatisieren.
  • Logistik: Neben den systemtechnischen Voraussetzungen ist die Supply Chain einer der grössten limitierenden Faktoren für ein erfolgreiches Onlinegeschäft. Aufgrund des grösseren Produkteangebots ist meist auch mehr Lagerplatz erforderlich. Den grössten Kostenblock bildet jedoch das Fulfillment. Durch den oftmals kleinen Bestellumfang wird das Picking (die meist manuelle Arbeit des Verpackens) und der Versand auf die bestellten Produkte heruntergerechnet, teuer. Aus diesem Grund haben viele Onlinehops einen Mindestbestellwert, da so der Gewinn pro Paket durch einen höheren Warenwert gesteigert, oder überhaupt erst erzielt werden kann.
  • Der Logistikprozesses wird aufgrund seiner Komplexität zudem oftmals an Spezialisten ausgelagert, was die Kosten weiter in die Höhe treibt.
  • Niedrige Profitabilität: Neben den Technologie- und Logistikkosten, sind auch die Marketingkosten im Onlinebereich meist höher als im stationären Handel. Trotz des Wegfallens der Ladenmiete und des Personals ist die Marge aus diesem Grund online tiefer.
  • Transparenz: Bereits heute wird das Internet in der Vorkaufsphase als Informationsmedium benutzt. Selbst wenn der Kauf schlussendlich offline getätigt wird. Da das Internet bei Onlineshops aber auch direkt das Kaufmedium ist, wird der Produktevergleich noch stärker gefördert. In der Konsequenz wird der Preis zum grössten Differenzierungsmerkmal, was oftmals zu aggressiven Preisaktionen und zum Preiskampf unter den Anbietern führt.

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Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass Onlineshops für FMCG Unternehmen auf den ersten Blick eine grosse Chance bietet. Neben der Unabhängigkeit vom stationären Handel, kann eine anderen Kundengruppe angesprochen und die Absätze zu erhöht werden. Dagegen stehen Limitationen, die die Rentabilität des Onlinehandles massiv einschränken und vor dem Start vorsichtig abgewogen werden müssen. 

Onlineshops für FMCG in der Praxis

Die Averdi AG ist ein Start-Up, das sich auf die Entwicklung, die Vermarktung und den Vertrieb von funktionellen Lebensmitteln spezialisiert hat. In der Anfangsphase hatte sich das Unternehmen seine Markenbekanntheit insbesondere durch eine starke Social Media Präsenz erarbeitet. Die kurzen Entscheidungswege und eine starke Innovationskraft mit stetigem Drang zu Fortschritt machen das Unternehmen sehr agil und flexibel. Gleichzeitig fördern sie eine Unternehmenskultur, die derjenigen in bereits erfolgreichen online-nativen Unternehmen ähnelt. In der Folge soll ein kurzes Assessment zu den Chancen und Risiken des Unternehmens für den Eintritt in den Onlinehandel gegeben werden.

 

Podcast SalesX & Innovation

SalesX und Innovation ist der Podcast zu den neusten Entwicklungen im Vertrieb und Innovationsmanagement. Jörg und Patrick stellen Modelle, Ansätze und Erfahrungen aus der Praxis vor und beleuchten aktuelle Fragestellungen aus der Vertriebs- und Innovationsperspektive. SalesX und Innovation ist der wöchentliche Gedankenaustausch zweier Menschen, die sich persönlich zugetan, aber nicht immer einer Meinung sind. Immer Freitags, überall wo es Podcasts gibt.
Podcast

Ein Onlineshop könnte in erster Linie die Abhängigkeit vom stationären Handel reduzieren, da das eingangs beschriebene Setting mit der starken Machtposition des stationären Handels auch im Marktumfeld der Averdi AG vorliegt. Die Onlineanstrengungen fallen dabei fast ausschliesslich unter die beschriebenen taktischen Erweiterungen des stationären Handels. Es gibt zwar erste Versuche von unabhängigen Anbietern und Lieferdiensten. Diese konnten sich aber bisher noch nicht durchsetzen. So ist die Averdi AG beim Launch neuer Produkte immer auf einen der beiden starken Retailer angewiesen. Nicht oft beerdigt dies eine Opportunität, bevor sie erst richtig auf den Markt gebracht wurde. Über einen Onlinestore könnten auch kleinere Mengen verkauft werden, bis daraus auch für den stationären Handel ein Businesscase wird.

Allgemein beinhaltet das Produktportfolio aber einige Produkte, die von anderen Anbietern bereits erfolgreich online verkauft werden. Da die Averdi AG in mehreren Kategorien (des stationären Handels) verfügbar ist, bietet das Angebot der gesamten Produktpalette an einem zentralen Ort die Chance eines erhöhten Cross-Sellings. Als weiteren positiven Aspekt ist die Informationssammlung zu nennen. Da die Ressourcen für ein Start-Up begrenzt sind und Marktdaten meist teuer eingekauft werden müssen, würde ein Onlineshop eine ideale Basis bilden, um an Kundendaten und Kundenverhalten heranzukommen.

Allerdings stellen die beschriebenen Limitationen eine echte Herausforderung dar. Um nicht als weiteres me too-Unternehmen mit einer einfachen taktischen Onlineerweiterung zu enden, sind signifikante Investments und ein Überdenken des Geschäftsmodell notwendig. Die Investitionen müssten zum einen in die Infrastruktur fliessen, um durch den Zukauf eines neuen Systems die Prozessabläufe zu automatisieren. Ausserdem wäre zusätzlich externes Know-how notwendig, um die Fähigkeiten, die ein solches Geschäft erfordert, abzudecken. Nur so könnte schlussendlich eine Omni-Channel-Strategie erarbeitet werden, die das gesamte Kundenerlebnis verbessert und in bei der Kaufentscheidung unterstützt. Insbesondere die Corona Pandemie und der eingeschränkte stationäre Konsum, haben den Fortschritt des Onlinehandels in vieler Hinsicht beschleunigt. Obwohl die jährlichen Wachstumsraten des FMCG Onlineanteils von Jahr zu Jahr steigen, sind sie doch noch lange nicht auf dem Level des gesamten Onlineanteils.

Ausblickend legt dies den Schluss nahe, dass es bisher zu wenigen Unternehmen gelungen ist, das eigentliche Kundenbedürfnis für einen Onlineeinkauf zu befriedigen. Excellence im Bereich Logistik und Supply Chain, die die weltweitern Marktführer im Onlinehandel auszeichnen, scheinen für das lokale FMCG Unternehmen nicht auszureichen. Vielmehr sollten sich Anbieter über zusätzliche Services Gedanken machen, die über das reine Produkt und die Logistikleistung hinaus gehen. Diese Frage gilt es schlussendlich auch für die Averdi AG zu beantworten, bevor sie ihre Geschäftsaktivitäten auf den Onlinehandel ausdehnt.