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Partnerverkauf 2021

Partnerverkauf 2021 von Fabio Bonolo.

Märkte werden internationaler und umfangreicher, Kundensegmente dynamischer und demografisch sowie kulturell schwieriger zu bearbeiten, Produkte und Dienstleistungen erklärungsbedürftiger. Durch diese und weitere Entwicklungen relevanter Faktoren im Vertrieb steigt auch unweigerlich der Ressourcenbedarf analog der Kostenaufwände einer Vertriebsorganisation mit direktem Vertriebsabsatz im B2B. Aus diesen Gründen gewinnt der indirekte Vertriebskanal in Form des Partnerverkauf 2021 immer mehr an Stellenwert.

Partnerverkauf 2021 oder indirekter Vertrieb liegt dann vor, wenn rechtlich und wirtschaftlich selbständige Einzel- und/oder Grosshändler (Absatzmittler) oder vertraglich gebundene, aber wirtschaftlich selbständige Kooperationspartner (Franchise) in den Absatzkanal eingeschaltet sind. Das führt unweigerlich zu einer neuen Institutionenökonomik, da mehrere Parteien (also Hersteller, Händler, Franchisenehmer) in einer Gesamtheit involviert sind. Wie jeder andere betriebswirtschaftliche Ansatz birgt auch diese Ökonomik seine Risiken. Diese sind zum Beispiel ein individuell rationales Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder, was zu einem für die Gruppe nicht optimalem Ergebnis führt («Gefangenendilemma»), oder wenn Informationsasymmetrien durch Informationsvorsprünge Einzelner entstehen («Principal-Agent-Theorie») und dieser Umstand Nährboden für opportunistisches Handeln aufgrund von Interessenskollisionen innerhalb der Ökonomik bietet («Moral Hazard»). Man kann diesen Risiken selbstredend mit verschiedenen vorbeugenden Massnahmen entgegenwirken, dazu später mehr.

Im Grundsatz müssen sich Unternehmen bei der Wahl Ihrer Vertriebskanäle die «Make or Buy» Frage stellen und dabei die relevanten Einflussfaktoren mit den Auslagerungsmöglichkeiten des indirekten Vertriebs gegenüberstellen. Dabei gibt es vier relevante Einflussfaktoren für die Gestaltung des indirekten Vertriebs:

  • Charakteristika des relevanten Marktes
  • Produkt- und Servicecharakteristika
  • Charakteristika und Strategie des Herstellers
  • Charakteristika der Händler

Auf Basis der Bewertung dieser Faktoren wird die Frage beantwortet: «Was kann und soll im indirekten Vertrieb ausgelagert werden?». Das könnte z.B. die räumliche oder konzeptionelle Nähe zum Kunden sein, oder die Auslagerung der Risiken (finanziell und/oder produktbezogen), ebenso wie die Kostenauslagerung für agilere, günstigere Arbeitskräfte und/oder die Vertriebskosten. Wichtig dabei ist, dass für die Beantwortung dieser Fragen eine einheitliche «Partner Governance» zugrunde liegt, womit wir beim vorigen Thema sind, wie den Risiken dieser neuen Institutionenökonomik entgegengewirkt werden kann.

Die Partner Governance beantwortet zentrale Fragen des Partnerverkaufs (Schulungen, Customer Engagement, KPI´s, Pricing, Partner Planning, Absatzkanalplanung) und wird unterschiedlich ausgelegt. In Hersteller-Händler Beziehungen wird «Zentralisierung» definiert als der Grad, zu dem der Entscheidungsgrad vertriebsrelevanter Aspekte beim Hersteller liegt. «Formalisierung» definiert den Grad, zu dem der Hersteller definierte Regeln festlegt und feste Vorgehensweisen die Aktivitäten der Händler steuert.

Unabhängig davon, wie man seine Partner Governance auslegt, ist ein konzeptionelles und strategisches Partner Enablement von essentieller Bedeutung für die Effizienz, ebenso wie für die Kundenzufriedenheit am Markt. Was dahingehend zwingend vermieden werden soll sind Preiskämpfe zwischen den Händlern oder sogar zwischen Händler und Hersteller. Für die Partnergewinnung sind Anreizmodelle wie Rabatte oder Incentivierungsprogramme von zentraler Bedeutung. Dabei ist es wichtig, dass man diese Anreizmodelle einerseits nicht zu kompliziert gestaltet und andererseits auf Stabilität des Programms setzt, um Loyalität und Vertrauen entstehen zu lassen. Hierfür ist es aus Sicht der Hersteller von bedeutender Relevanz, entsprechende «Partner Account Manager» an Bord zu haben, die sich mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitsressourcen um die Pflege und das Enablement der Vertriebspartner kümmern, um langfristigen Erfolg und eine florierende sowie von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Geschäftsbeziehung sicherzustellen.

Partnerverkauf 2021 in der Praxis

Ein weltweit tätiger Softwarehersteller betreibt ein vorbildliches Partnerprogramm. Dabei macht sich das Unternehmen wichtige Aspekte eines professionellen Partnermanagements zu eigen: Konzept, Wachstumsmöglichkeiten und Unkompliziertheit. Das «PartnerEdge-Programm» spricht potenzielle Partnerunternehmen mit verschiedenen Hintergründen basierend auf vier Kooperationsmodellen an: Entwicklung, Vertrieb, Betrieb und Service. Das Entwicklung-Partnermodell  ist für unabhängige Softwareanbieter und -entwickler, die auf Basis der Technologien und Plattformen des Unternehmens entwickeln und integrieren sollen. Das Vertriebsmodell wird typischerweise von Wiederverkäufern und Value Added Resellern gewählt, die Cloud- und On-Premise-Lösungen verkaufen, implementieren und warten. Beim Modell «Betrieb von Lösungen» können Outsourcing- oder Hosting-Partner-Lösungen in privaten oder öffentlichen Clouds anbieten. Das Servicemodell ist für Beratungsunternehmen und Systemintegratoren gedacht, die Services in Form von Unternehmensberatung, Systemdesign, Integrationen und Projektimplementierungen anbieten. Für unschlüssige potenzielle Partnerunternehmen bietet das Unternehmen sogar die eine «Partnerschaft auf Probe» in einem Open-Ecosystem mit begrenztem Zugriff auf Schulungen, Produktinhalten und Programminformationen an. Ist ein Partnerprogramm erst mal ausgewählt, so erhalten die Vertriebspartner einfache Verträge und zahlen ermässigte, standardisierte Programmgebühren.

Als Vertriebspartner  kann man Kunden in allen Phasen des Kundenbeziehungsprozesses begleiten: Von der Neukundenakquisition über die Implementierung bis hin zum Support und Vertragsverlängerungen der Cloud-Lösungen. Dabei bewirbt das Unternehmen für Ihre Vertriebspartner grosse Chancen auf dem Markt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), welcher schon heute hauptsächlich von ihren bestehenden Partnern bearbeitet und betreut wird. Das Unternehmen verfolgt dabei eine Value-Points Strategie welche die Vertriebspartner für ihr Engagement belohnt. Dabei steigen die Programmpunkte, je höher ein Partner in der Programmstufe aufsteigt. Je höher die Programmstufe desto mehr Vorteile ergeben sich für den Vertriebspartner. Für die Vergabe der Value Points werden u.a. der Gesamtbeitrag zum Geschäftserfolg, die Geschäftsleistung, die betriebliche Kompetenz und die strategische Ausrichtung auf die wichtigsten Lösungen berücksichtigt.

Was das vorgestellte Partnerprogramm  ebenfalls so professionell macht ist einerseits der Einsatz von spezifischen «Demand Managern», die mithilfe des «MODELYZR» die Vertriebspartner betreuen. Der «MODELYZR» ist ein prozessorientiertes Tool für die systematische Planung und Steuerung der Vertriebspartner. Dabei handelt es sich um ein Prozessmodell mit klaren Schritten und Meilensteinen und wird auch «Demand Management» genannt. Der zentrale Aspekt dabei ist, dass es sich um einen wiederkehrenden Prozess handelt, da das Management von Vertriebspartnern kein endliches Projekt ist. Dabei beginnt das Unternehmen mit einer globalen und spezifischen (1zu1) Partnerplanung, geht über die Konsolidierung und das Aufsetzen eines spezifischen Kampagnenplans pro Vertriebsmarkt inkl. einer dedizierten Zielgruppendefinition weiter. Danach werden die Kampagnen in verschiedenen «Waves» ausgeführt und währenddessen auch verfeinert und geschärft. Sind sämtliche Kampagnen durchgeführt, werden Opportunities (sogenannte «Demands») an die Vertriebspartner oder den Hersteller selbst übergeben. Danach stehen verschiedene Learnings an, welche für eine «Discovery Phase» zwecks Erkundung von neuen Märkten und Lösungen genutzt werden, um so die Partner- und Kampagnenplanung wieder anzukurbeln.

Zusammenfassend kristallisieren sich folgende Erfolgsfaktoren für ein professionelles und langfristig erfolgreiches Partnermanagement heraus:

  • Berücksichtigung der relevanten Einflussfaktoren eines indirekten Vertriebskanal
  • Bewertung der Auslagerungsmöglichkeiten bei der Wahl der Vertriebspartner
  • Stabile, unkomplizierte Partnerprogramme und Anreizsysteme
  • Auslegeordnung der Beziehungsgrade «Zentralisierung» oder «Formalisierung»
  • Einsatz von «Partner Account Manager» für ein systematisches, langfristiges Partnermanagement und Partner Enablement

Quellen:

Scheifele. Indirekter Vertrieb im B2B Geschäft. Eigene Darstellungen

Schneider (2001). S. 66-67. Springer Verlag

Homburg/Schäfer/Schneider (2016). Sales Excellence, S. 15. Springer Verlag

https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/neue-institutionenoekonomik-38077

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