Digitale Marktplätze 2024 von Livio Erny.
Viele stationäre Einzelhändler sehen sich seit einigen Jahren mit rückläufigen Umsätzen konfrontiert. Im Gegenzug schnellen die Mietpreise für begehrte Gewerbeobjekte an bevorzugten und stark frequentierten Lagen in die Höhe. Entsprechend sind nahezu über alle Branchen Marktkonzentrationen festzustellen. Kleine Marktteilnehmer werden durch die aktuellen Entwicklungen vermehrt in die Knie gezwungen. Häufig endet dies in Geschäftsschliessungen oder Übernahmen durch grosse Handelsketten. Diverse Herausforderungen, die insbesondere durch den technologischen Fortschritt verstärkt wurden, zeigen sich in Kombination für viele Einzelhändler als existenzbedrohend, wie die nachfolgenden Effekte veranschaulichen. Es gilt digitale Marktplätze 2024 genau zu verstehen.
Quelle: Vogler, T. & S. Stockem (2022). Digitale Marktplätze als Zukunftsmodell für mittelständische, stationäre Händler. In M. Knoppe, S.Rock & M. Wild (Hrsg.), Der zukunftsfähige Handel (S. 415-427). Springer Gabler.
E-Commerce: Mit dem Aufstieg vom E-Commerce verstärkte sich der Wettbewerbsdruck zusätzlich zu den bestehenden Konkurrenten im stationären Bereich. Immer mehr Verbraucher bevorzugen es, ihre Einkäufe online zu tätigen aufgrund des grösseren Angebotes, den besseren Vergleichsmöglichkeiten und nicht zuletzt wegen der Bequemlichkeit.
Preisdruck: Der Preiskrampf im Einzelhandel war schon immer hoch. Erfolgreiche Einzelhändler haben schon früh verstanden, dass durch Differenzierung im Angebot oder mittels Service-Angeboten und hervorragenden Shoppingerlebnissen der Preis teilweise in den Hintergrund rückt. Mit dem Aufschwung des E-Commerce hat sich der Preisdruck aber zusätzlich verstärkt. Online-Händler bieten häufig niedrigere Preise und Sonderangebote an, was den Druck auf den stationären Handel erhöht. Fixe Standort- und Personalkosten fallen bei Pure Playern oft deutlich geringer aus, was tiefere Endverbraucherpreise ermöglicht als im stationären Handel.
Standortabhängigkeit: Stationäre Händler sind oft auf einen attraktiven Standort angewiesen, um potenzielle Kundschaft zu erreichen. Ein unpassender Standort mit wenig Visibilität und geringem Kundenverkehr kann trotz ausgezeichnetem Angebot zu schwachem Geschäftsgang führen. Attraktive Geschäftslokale sind allerdings sehr begehrt und mit hohen Mietenzinsen verbunden. Beim Auslauf von langfristigen Gewerbeverträgen sehen sich stationäre Händler oft mit explodierenden Kosten für die Erneuerung konfrontiert, die kaum tragbar sind. In Kombination mit der abnehmenden Frequenz in stationären Läden und der Verschiebung in den E-Commerce, stellt sich die Frage immer öfters, ob die exorbitanten Mieten für Standorte überhaupt noch tragbar sind.
Veränderungen im Kundenverhalten: Mit den Möglichkeiten, die den Konsumenten durch E-Commerce geboten werden, wächst die Anforderungshaltung an den stationären Handel. Die Anfahrt zu einem stationären Laden bedeutet Aufwand für die Kundschaft im Vergleich zu einigen Klicks im Online-Bereich. Entsprechend erwartet die Kundschaft ein nahtloses Einkaufserlebnis mit ausgezeichnetem Service, welches den physischen Besuch überhaupt rechtfertigt.
Die obenstehende Auflistung verdeutlicht, dass vom stationären Handel Anpassungsfähigkeit, Innovation und die Bereitschaft für Veränderungen gefordert werden, um auch künftig bestehen zu können. Hohe Investitionen sind aber gerade für kleinere Einzelhändler kaum tragbar, was zeigt, dass an dieser Stelle neue innovative Modelle gefordert sind. Digitale Marktplätze 2024 können hier eine Option sein. Eine Möglichkeit, um im umkämpften Markt zu bestehen ist die Kombination des stationären Standbeins mit einem digitalen Auftritt. Die Reichweite kann schnell erweitert und eine komplett neue Customer Experience aufgebaut werden. Aus Respekt von verschiedenen Hürden wie die nachfolgende, nicht abschliessende Liste aufzeigt, verzichten aktuell dennoch viele mittelständische Unternehmen auf die Onlinepräsenz:
· Aufbau einer E-Commerce-Infrastruktur – welche Schritte sind zu durchlaufen?
· Kosten für Aufbau und Bewirtschaftung – besteht Budget für notwenige Investitionen?
· Abwicklung von Logistik und Versand – wie wird das System für Warenbewirtschaftung geregelt?
· Kundenakquise Online-Marketing (SEO/SEA) – wie finden Konsumenten den Weg zum Shop?
· Integration von Online und Offline – wie kann ein einheitlicher Auftritt gewährleistet werden?
· Zusätzliche Ressourcen und Personal – muss fehlendes Knowhow eingekauft werden?
Als idealer Mittelweg kann sich für mittelständische Unternehmen ein Auftritt auf einem digitalen Marktplatz bieten. Es entfallen dabei viele Investitionen im Vergleich zum Aufbau eines eigenen Online-Shops. Insbesondere die Hürde für den Start in die digitale Welt kann damit vereinfacht werden. Digitale Marktplätze wie Amazon bieten oft eine einfache und benutzerfreundliche Infrastruktur, die es Unternehmen ermöglicht, schnell und unkompliziert mit dem Verkauf der Produkte zu beginnen. Ebenfalls wird ein Grossteil der technischen Voraussetzungen wie beispielsweise das Hosting oder die Zahlungsabwicklung direkt von den Marktplätzen übernommen, was Zeit und Ressourcen spart. Dank der hohen Reichweite und grosser Nutzeranzahl von bekannten Marktplätzen, ist eine grosse Gruppe von potenziellen Kunden erreichbar, sobald die ersten Produkte aufgeschaltet sind.
Ein Marktplatz bietet somit Chancen für erhebliche Effizienzsteigerungen, was auch die gesamte IT-Infrastruktur anbelangt. Dabei darf allerdings nicht vernachlässigt werden, dass eine gewisse Verbindung zwischen dem Marktplatz und dem eigenen Warenwirtschaftssystems vorhanden sein sollte. Ohne eine Systemanbindung und einwandfreie Kommunikation lauern Risiken wie fehlerhafte Warenbestände, nicht aktualisierte Produktinformationen oder unterschiedliche Preise. Um manuelle Eingriffe so gering wie möglich zu halten, rät sich hierbei fertige Integrationsschnittstellen oder API’s (Application Programming Interfaces) zu nutzen und damit den automatisierten Informationsfluss zu gewährleisten.
Unternehmen sollten sich vor dem Entscheid auch über weitere Risiken bewusst sein, welche Marktplätze mit sich bringen. Diese können beispielsweise Preistransparenz und Konkurrenzdruck, Abhängigkeit vom Marktplatz, eingeschränkter Einfluss auf Customer Experience, Verlust von Markenidentität und Kundenbindung sein. Essenziell ist hierbei, dass sich Unternehmen detailliert über die Vereinbarkeit der Unternehmensstrategie mit den gewählten Vertriebskanälen auseinandersetzen.
Denkwerkstatt Sales Excellence
Kundendaten am Beispiel eines mittelständigen Schuh-Produzenten
Das Schweizer Unternehmen setzt auf hochwertige Lederprodukte mit Kleinstmanufakturen in der Schweiz und Italien. Das Hauptaugenmerk des Sortimentes liegt auf handgefertigten Schuhen und Stiefeln im hohen Preissegment. Neben dem Kernsortiment mit Schuhen bietet der Hersteller auch Produkte im Segment von Lederaccessoires wie Taschen und Geldbeutel an. Der Vertrieb des überschaubaren Sortimentes findet aktuell über fünf exklusiven Boutiquen in Stadtzentren in der Deutschschweiz statt. Es wird dabei viel Wert auf gute Beratung und damit den Aufbau von langfristigen Kundenbeziehungen gebaut. Somit gilt es die Vor- und Nachteiler digitaler Marktplätze 2024 genau abzuwägen.
Podcast SalesX & Innovation
Aktuell kämpft das Unternehmen allerdings mit stagnierenden Umsätzen, während die Kosten über die letzten Jahre angestiegen sind. Nicht nur der Einkauf von Rohstoffen hat sich seit COVID-19 verteuert, sondern auch Personalkosten und die allgemeine Teuerung fallen ins Gewicht. Auch deshalb kann es sich lohnen über digitale Marktplätze 2024 nachzudenken.
Als Herausforderung zeigt sich aktuell, dass die Wachstumsziele nicht erreicht werden. Die Kundenfrequenz in den Showrooms liegt nicht auf dem gewünschten Niveau, wodurch auch hochgesteckte Umsatzziele schwer erreichbar sind. Die Reichweite zu neuen potenziellen Kunden ist mit den fünf Filialen beschränkt, wobei eine Expansion und Eröffnung von zusätzlichen Standorten finanziell nicht tragbar wäre. Aufgrund des fehlenden Online-Auftritts und der geringen Marketing-Aktivitäten wird im Moment fast ausschliesslich die Laufkundschaft erreicht.
Die Ergänzung eines digitalen Verkaufskanals könnte daher eine interessante Möglichkeit fürs Erlangen einer grösseren Reichweite sein. Es bieten sich die Optionen auf einen eigenen Online-Shop oder aber einen digitalen Marktplatz zu setzten. Ein eigener Auftritt ist mit hohen Investitionen verbunden und benötigt viel Erfort und Know-How um die gewünschte Reichweite zu erreichen bei Gewährleistung des exklusiven Erlebnisses auch den online Vertriebskanal.
Für einen Start in die online Präsenz mit geringen Investitionskosten kann sich für dieses Unternehmen ein Marktplatz lohnen. Mit der Präsenz auf einer Online-Marktplattform kann der Lederwarenhersteller seine Reichweite auf einen Schlag erheblich ausbauen dank des grossen vorhandenen Kundenstamms. Die Plattformen bieten oft fortschrittliche Targeting- und Suchfunktionen an, womit die Zielkundschaft gezielt nach exklusiven Lederwaren suchen kann und somit schnell aufs Unternehmen aufmerksam wird, ohne den Namen zuvor zu kennen. Die Basisdaten von Neukunden werden durch die Plattform transparent an den Verkäufer weitergegeben für die Auftragsabwicklung. Diese wichtigen Kundendaten können genutzt werden, um neue Kundenbeziehungen aufzubauen im digitalen Vertrieb aber auch über die physischen Standorte. Das Einkaufserlebnis sollte für diese Kunden möglichst hochgehalten werden durch professionelle Interaktion im Anschluss an die Online-Bestellung (von Bestellbestätigung, Versandinformationen bis zum Nachkauf und Loyality-Loop).
Gerade im hochpreisigen Segment ist allerdings darauf zu achten, dass keine Preiserosion durch Rabattaktionen und Image Verlust durch den nur bedingt beinflussbaren Auftritt auf der Plattform entsteht. Die Unternehmenswerte und besonders der sorgfältige, handgefertigte Herstellungsprozess der Produkte müssen bei den Angeboten klar hervorgebracht werden. Trotz den vorgegebenen Rahmenbedingungen des Marktplatzes sollte sichergestellt werden, dass die Unternehmenswerte bestmöglich an die Zielkundschaft kommuniziert werden. Essenziell für einen erfolgreichen Start ist unter anderem auch die Wahl des richtigen Partners. Der Marktplatz muss nicht zwingend der bekannteste sein. Die Wahl hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschliesslich der Zielgruppe, der Markenpositionierung und den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens. Da es sich um einen Lederwaren-Hersteller im exklusiven Preissegment handelt, ist es durchaus sinnvoll nicht auf den Leader Amazon zu setzten, sondern geeignete Marktplätze, auf welchen sich die Zielkundschaft aufhält. Die nachfolgenden Anbieter würden sich beispielsweise eignen für eine Zusammenarbeit.
· Mytheresa: Luxusmode und mit vielfältiger Auswahl an Designer-Schuhen
· MatchesFashion: Luxuriöse Designerkleidung, Schuhe und Accessoires
· Net-a-Porter: Luxusmode mit breiter Palette exklusiver Schuhe
· 24S: Online-Shop von Le Bon Marché – Luxusmode mit breiter Palette exklusiver Schuhe
· Farfetch: Luxusmode mit breiter Palette exklusiver Schuhe
· SSENSE: Hochwertige Auswahl an Modeprodukten, einschliesslich exklusiver Schuhe
Fürs Unternehmen rät es sich, den Fokus vorerst auf digitale Marktplätze 2024 zu setzten und damit den Start in den neuen Vertriebskanal zu wagen. Zum Start kann ein überschaubares Leadersortiment aufgeschaltet werden, um erste Tests und Erfahrungen zu sammeln. Der Lederhersteller wird zu Beginn mit diversen, nicht immer hervorvorhergesehenen Herausforderungen aber auch positiven Erlebnissen konfrontiert sehen. Nach und nach kann das Sortiment und die Präsenz erweitert werden, um den wichtigen hohen Service von Beginn an halten zu können. Im Lancierungsprozess kann es helfen, treue bestehende Kundschaft nach Ihrem Befinden und Feedback zu fragen und dies entsprechend einfliessen lassen. Bei langfristigem Erfolg kann die Expansion auf weitere Plattformen und künftig sogar der Ergänzung eine eigenen Online-Shops geprüft werden.
Andere Blogbeiträge:
https://customersx.ch/blogsx/2022/onlinemarktplatz/
https://customersx.ch/blogsx/2022/convenience-im-omnichannel/