Du betrachtest gerade Diffusion of Innovation 2021

Diffusion of Innovation 2021

Diffusion of Innovation 2021 – aus dem Unterricht berichtet Stefan Notenboom.

Die zunehmende Digitalisierung zwingt sich wieder verstärkt einem „alten“ Thema zu widmen und beim Verkauf von Innovationen stärker zu beachten. Die Diffusion of Innovation ist ein wichtiges Modell, das leider noch nicht überall Beachtung findet. Folgende Erkenntnisse aus dem Unterricht von Patrick Stähler.

«Innovation = Idee + Invention + Diffusion» – Tobias Müller Prothmann

Ist diese Gleichung so einfach aufstellbar? Es besteht ein langer Weg von der Idee zur breiten Akzeptanz im Markt. Die Anbieter müssen nicht nur der Angebots- sondern insbesondere der Kundenseite mehr Beachtung schenken, denn diese geht oft vergessen. Aber was sind die Erfolgsfaktoren der Diffusion of Innovation 2021?

Das 3-Horizont Framework von McKinsey spielt in diesem Thema eine wichtige Rolle, denn je weiter eine Innovation vom heutigen Geschäftsfeld des Anbieters entfernt ist, desto schwieriger tun sich Kunden damit, diese beurteilen zu können.

Unternehmen müssen abhängig vom Horizont die Kunden anders ansprechen und einbinden. Die drei Horizonte lassen sich gut am Beispiel der Autoindustrie illustrieren: Kommt ein neuer BMW x4 mit Verbrennungsmotor auf den Markt, ist das eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Serie und befindet sich im Horizont 1. Die Kunden kennen das Produkt bereits und erwarten neue Features. Eine Horizont-2-Innovation stellt der BMW iX mit Elektroantrieb dar. Diese fordert die angestammten Kunden schon heraus, denn sie müssen sich mit der neuen Technologie und den neuen Ladevorgängen auseinandersetzen, in dem sie neues Konsumwissen aneignen. Google’s führerloses Auto mit Car Sharing ist dem dritten Horizont zuzuordnen; diese Technologie muss sich noch durchsetzen und ist noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase. Sobald sich eine Entwicklung bewährt und durchsetzt (Dominant Design), bildet sich ein Standard heraus. Nach dieser Phase gewinnen Prozess-Optimierungen wieder die Oberhand, und die Natur der Innovationen verändert sich wieder zu inkrementeller Entwicklung (von Horizont 3 zu Horizont 1). Hier gibt es noch eine ausführlichere Darstellung des Beispiels.

Die Geschwindigkeit, wie schnell eine neue Innovation angenommen wird unterscheidet sich nach Kundensegment. Es ist eine grosse Herausforderung die Kluft zwischen Innovatoren und Early Adoptors zu überwinden (Crossing the Chasm), da diese unterschiedliche Anforderungen an das Angebot haben. Weiter gilt zu beachten, dass die bestehenden Kunden sogar schädlich für radikale Innovationen sein können, denn sie können nur «More-of-the-Same» (MOTS) Innovationen beurteilen, wie in Horizont 1 beschrieben. Die Unternehmen sprechen mit der Innovation vielleicht andere Kundengruppen an und nicht die Stammkunden, dies führt uns zum Dilemma des Innovators. Sollen Unternehmen sich auf bisherige Nicht-Kunden oder Low-end Kunden konzentrieren, die heute unprofitabel sind?

Die Annahme und langfristige Verankerung einer Innovation durchlaufen fünf Phasen, die man aktiv beeinflussen muss:

  1. Knowledge – Wissen aufbauen;
  2. Persuasion – Entwicklung der eigenen Einstellung zur Innovation (positiv wie negativ);
  3. Decision – Entscheidung, die Innovation zu nutzen;
  4. Implementation – Nutzung und Feedback aufgrund der Nutzung;
  5. Confirmation – Bestätigung des eigenen Verhaltens durch soziales Umfeld.

Die Innovation muss bekannt sein, damit der Kunde seine Meinung bilden kann. Anschliessend soll dieser sich entscheiden, die Innovation effektiv zu nutzen. Nach dem Ausprobieren überlegt er sich, ob er das neue Angebot dauerhaft nutzen will, sofern sein soziales Umfeld auch gute Erfahrungen gemacht hat, gelingt dies.

Die einzige Phase, die das Unternehmen aktiv mit Massenkommunikation beeinflussen kann, ist die Knowledge-Phase. Die anschliessenden Phasen werden massgeblich durch interpersonelle Kommunikation und Feedback (z.B. Opinion Leader, Social Media) beeinflusst.

Zentrale Erkenntnisse:

  • Innovationen ist nicht was Unternehmen sagen es sei, sondern was Kunden als solche sehen!
  • Kunden brauchen Zeit, um eine Innovation zu verstehen, sie zu lernen und eine Einstellung dazu zu entwickeln.
  • Die persönliche Weiterempfehlung prägt den Prozess der Übernahme der Innovation und kann nicht direkt von Unternehmen beeinflusst werden.
  • Für eine erfolgreiche Diffusion of Innovation 2021 müssen die Firmen das Konsumwissen aktiv bei den Kunden aufbauen.
  • Consultative Selling gewinnt an Wichtigkeit, insbesondere bei Software-lastigen Innovationen.

Diffusion of Innovation 2021 am Beispiel der Fotografie erklärt

Seit der Erfindung im 19. Jahrhundert war fotografieren ein mühsames Unterfangen: Wegen den langen Belichtungszeiten benötigte man ein Stativ, um das Bild nicht zu verwackeln. Die Technik war kompliziert: Der Profifotograf musste kurz vor der Aufnahme eine lichtempfindliche Emulsion auf die Glasplatte auftragen und den Fotoabzug direkt danach in einem Dunkelzelt entwickeln. Für die Entwicklung der Aufnahme benötigte dieser Chemikalien und Behälter, als auch einen Ständer für die schweren Fotoplatten. Die Ausrüstung war gross und unhandlich – allein die Kamera hatte etwa die Ausmasse eines heutigen Mikrowellenofens – kurzum, man brauchte einen Packesel, um die Foto-Ausrüstung zum Aufnahmeort zu transportieren.

Dem Gründer Kodaks, George Eastman, gelang zusammen mit einem Kamerakonstrukteur Ende des 19. Jahrhunderts eine H2-Innovation: sie entwickelten einen Rollfilm, die in jede handelsübliche Plattenkamera passte. Sie eröffneten damit neue Geschäftsmöglichkeiten, welche einen klaren Vorteil zu herkömmlichen Lösungen bot. Kodak erwartete, dass viele professionelle Fotographen mit Glasplatten zu ihren Filmrollen wechseln würden, aber es taten nur wenige. Diese sehr nützliche Innovation setzte sich nicht durch, deshalb richtete Eastman seine Organisation nach der Maxime aus, die Fotografie für jedermann zugänglich zu machen.

Um den Massenmarkt zu erreichen, konstruierten sie eine leicht zu tragende und kompakte Kamera, die ohne Stativ auskam und einfach in der Hand liegt und bedient werden kann: Die «KODAK Camera» statteten sie mit dem ersten Rollfilm mit 100 Aufnahmen aus und lancierten diese 1888 für 25.- USD. Der eigentliche Clou dabei war ein findiges Vertriebssystem mit klarer Kommunikation. Der einprägsame Werbeslogan «Sie drücken den Knopf, wir kümmern uns um den Rest.» bringt das unschlagbare Wertangebot auf den Punkt. Die Kamera musste nur auf dem Postweg ans Labor von Kodak zurückgeschickt werden. Innert 10 Tagen entwickelte diese die Abzüge, ersetzten die Filmrolle und sendeten die Kamera mit den Fotos zurück an den Kunden für 10.- USD. Mit einer faktenorientierten Kommunikation und einfach erlernbarem Konsumwissen, nahmen die ersten Amateurfotografen diese Innovation an. Aufgrund des Preises jedoch, war die KODAK Kamera eher etwas für gut betuchte Bürger.

Dies berücksichtigte Kodak bei der Entwicklung der ersten «Brownie-Kamera». Im Jahr 1900 brachte Kodak ein abgespecktes Massenprodukt auf den Markt, und reduzierte die Anzahl der Bilder auf dem Film. Kodak reduzierte die Komplexität und ihm gelang eine sogenannte New-Market Disruption. Der relativ geringe Verkaufspreis von 1 Dollar und der Film für 15c pro Rolle machte das Fotografieren von nun an für die Masse erschwinglich und zum Freizeitspass für jedermann. Durch Weiterempfehlungen, der einfachen Bedienung, sowie einer ausgeklügelten, emotionalen Werbekampagne, die vollständig auf Kinder ausgerichtet war, schaffte es Kodak die «Chasm» bei den Early Adopters zu überwinden und verhalf den Kompaktkameras mit der Filmrolle zum Durchbruch. Dies führte praktisch während des gesamten 20. Jahrhundert zur dominierenden Marktstellung Kodaks in der Fotobranche.

Kodak investierte seit ihrer Gründung kontinuierlich in Forschung und Entwicklung neuer Verfahren und meldete unzählige Patente an. Von allen weitläufig bekannt ist Kodak für seine Filmrollen. Nur Branchenkenner wissen, dass Kodak bereits in den 70er Jahren die erste Digitalkamera auf Basis eines CCD-Chips erfunden hatten. Obwohl sie 1989 die erste digitale Spiegelreflexkamera der Welt entwickelten, 1994 für Apple die erste für die Massenmarkt erschwingliche Digitalkamera für Amateure baute (Quicktake 100) und die ersten Kameras mit OLED-Bildschirmen und Wifi-Modul auf den Markt brachte, fehlten Ihnen die Vertriebskanäle. Denn sobald ein Produkt Software-lastiger wird, braucht es einen anderen Vertrieb.

Hinzu kam, dass niemand bei Kodak sich ein Mobiltelefon mit integrierter Kamera vorstellen konnte. 2001 verkaufte Kodak mehr Filme als jemals zuvor in der Geschichte. Als in den Nuller- Jahren jedoch massenweise Digitalkameras aus Asien und kurz darauf die ersten Handy-Kameras und Smartphones auf den Markt kamen, brach das Geschäft bei Kodak schnell weg. Das traf Kodak besonders heftig, da sie bei den preiswerten Kameras von 100 bis 200 Dollar besonders stark waren.

Obwohl Kodak mit der Lizenzierung der Technologie Milliarden Dollar verdient hat, misslang der Übergang von Film zu Digital. Sie wurden Opfer ihres eigenen Erfolgs und «disrupted», da sie zulange auf die herkömmliche Fotografie setzten und das Management zu spät versuchte das Ruder herum zu reissen. Der Vorsprung der Konkurrenz war einfach zu gross. Die im eigenen Haus erfundene und patentierte Technologie (Patent Nr. US4131919A) wurde zur Grundlage für alle Digitalkameras von heute. Auch Topinnovationen brauchen ein optimales Timing und natürlich auch ein wenig Glück. Denn nur wenn eine Window-of-Opportunity existiert, kann sich die Innovation durchsetzen.

Quellen:

Stähler, Patrick (2001): Geschäftsmodelle in der digitalen Ökonomie, Eul-Verlag, Lohmar-Köln

LORENZO Consulting GmbH. (2020). Zitate zum Thema Innovation. Abgerufen 14. November 2020, von https://www.lorenzo-innovation.de/zitate-zum-thema-innovation/

Diehl S. (2020). McKinsey 3 Horizon – Digitalstrategie und Innovationen planen. Abgerufen 12. November 2020, von https://digitaleneuordnung.de/blog/mckinsey-3-horizon-verstehen-und-anwenden/

Christensen, Clayton M.; Matzler, Kurt; Friedrich von den Eichen, S. (2011). The Innovatorʹs Dilemma. Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren, München; Vahlen Verlag.

Eastman Kodak Company. (2020). George Eastman history. Abgerufen am 14. November 2020, von https://www.kodak.com/en/company/page/george-eastman-history

NZZ. (2015). «Es war nur eine Spielerei». Abgerufen 15. November 2020, von  https://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/digitalfotografie-steven-sasson-interview-es-war-nur-eine-spielerei-ld.3183?reduced=true

SPIEGEL. (2015). Der Mann, der die Zukunft erfand. Abgerufen am 14. November 2020, von https://www.spiegel.de/geschichte/digitalkamera-erfinder-steve-sasson-ueber-kodaks-pleite-a-1057653.html

Rogers E. M. (1962). Diffusion of Innovations, New York; The Free Press.