Value-based Selling von Kathleen Kretzschmar.
Was ist Value-based Selling: Traditionell konzentriert sich der Produktverkauf im B2B-Geschäft häufig auf reine Produktmerkmale und eine optimale Preisgestaltung. Die eigentlichen Bedürfnisse und der daraus resultierende Wert für den Kunden rücken dabei oft in den Hintergrund. Value-based Selling (nachfolgend VBS genannt) bietet einen alternativen Verkaufsansatz zum produkt- oder preisorientierten Verkauf, der eine Wertsteigerung für den Kunden und im Idealfall strategische Wettbewerbsvorteile für den Anbieter schafft. Entscheidend ist es hier, dass Verkäufer und Kunde zusammenarbeiten und damit Marktangebote so gestaltet werden können, dass Vorteile in Geld ausgedrückt werden.
Als Voraussetzung für VBS muss ein tiefes Verständnis über das Geschäftsmodell des Kunden vorliegen, welches über die klassische Bedarfsanalyse hinaus geht. Zusammengefasst wird dabei in vier Schritten vorgegangen:
1. Erfassung des Geschäftsmodells und der Bedürfnisse des Kunden (welche Probleme müssen gelöst werden?)
2. Wertermittlung und Entwicklung quantifizierter Wertversprechen
3. Mehrwertdemonstration durch Kommunikation von Wertpotentialen
4. Auslieferung des Mehrwerts und Überprüfung des realisierten Wertes
Grundsätzlich ist ein Anbieter mit seinen Problemlösungen für einen Kunden nur so attraktiv, wie das angebotene Leistungspotential dem Kunden nachhaltige, strategische und wettbewerbswirksame Markt- und Ertragsvorteile bringt. Folgerichtig bedeutet dies, dass der Fokus bei VBS ganz klar auf dem Einnehmen einer kundenzentrierten Sichtweise und Ausrichtung liegen muss.
Was bedeutet VBS nun konkret für den Verkäufer? Um entscheidende Möglichkeiten zur Wertsteigerung für den Kunden aufzeigen zu können, braucht der Verkäufer Kompetenzen, die ihn dazu befähigen, Wertsteigerung für den Kunden identifizieren und kommunizieren zu können. Entsprechend müssen Kundenvorteile entwickelt und kommuniziert werden, bei denen sich der Kunde dazu entscheidet, dass diese ihren Preis auch wert sind.
Hierfür hat der Verkäufer mehrere Möglichkeiten, die Werttreiber des Kunden zu beeinflussen. Die einfachste Art ist die Ausarbeitung von Angeboten, die in Nutzungssituationen zu einem höheren Kundennutzen führen. Eine zweite Möglichkeit besteht in der positiven Änderung von Kundenprozessen. Es können aber auch Geschäftsprozesse zwischen Käufer und Verkäufer abgestimmt werden.
Die vom Anbieter gebotenen Vorteile und daraus resultierenden Wertsteigerungseffekte für den Kunden könnten also sein:
· Erhöhung des Kundenumsatzes
· Positive Beeinflussung der Betriebskosten, Fixkosten oder des gebundenen Kapitals etc.
· Und somit Erhöhung der Rendite des eingesetzten Kapitals
Quelle: Keränen, J., Salonen, A. & Terhoc, H. (2020). Opportunities for value-based selling in an economic crisis: Managerial insights from a firm boundary theory. Industrial Marketing Management, 88, 389–395. Opportunities for value-based selling in an economic crisis: Managerial insights from a firm boundary theory – ScienceDirect
Dadurch können wertorientierte Verkäufer mit leistungsabhängigen Angeboten die finanziellen Gründe aufzeigen, die höherwertigere Angebote oder leistungsbasierte Dienstleistungen erklären. Es liegt auf der Hand, dass mit VBS somit eine Diskussion über den Wertbeitrag entsteht und eben nicht eine klassische Preisverhandlung, bei der es überwiegend um Preisdruck und Rabatte geht. Wie eingangs bereits beschrieben, bedingt dies eine gute Analyse der Prozesse des Kunden, um in der angestrebten Wertbeitragsdiskussion den Mehrwert für den Kunden in den Vordergrund stellen zu können.
Möglichkeiten für Value-based Selling in einer Wirtschaftskrise
Wirtschafts- und soziale Krisen führen oft zu einem starken Rückgang der Neuproduktverkäufe bei B2B-Anbietern, besonders bei solchen, die komplexe oder massgeschneiderte Lösungen mit höherem Investitionsaufwand anbieten. Kunden fokussieren sich dann auf die Aufrechterhaltung kritischer Prozesse und Kostensenkung, was zu reduzierten Einkaufsbudgets und eingefrorenen Investitionen führt. Anbieter stehen vor der Herausforderung, Umsatz und Kundenbindung ohne Preissenkungen zu erhalten. Die verbreitete Praxis, auf Krisen mit temporären Preissenkungen und Rabatten zu reagieren, ist kurzfristig überlegt und kann schädlich für die Rentabilität sein. Im Gegensatz dazu wird eine proaktive, langfristige und für beide Seiten vorteilhafte wertorientierte Verkaufsstrategie empfohlen, die es Kunden ermöglicht, Kosten zu senken und gleichzeitig für zukünftiges Wachstum nach der Krise gerüstet zu sein.
Auf den ersten Blick kann VBS in solchen Situationen aufgrund höherer Preise und knapper Budgets kontraintuitiv erscheinen.
Die Wirtschaftswissenschaftler Kathleen M. Eisenhardt und Filipe M. Santos argumentieren allerdings, warum Wirtschaftskrisen Kunden empfänglicher für wertbasierte Ansätze machen. Sie zeigen auf, wie Anbieter diese Gelegenheit nutzen können, indem sie die Beziehungen zu ihren Kunden neu definieren und den Kunden darlegen, wie sie durch die Neuausrichtung der unternehmensinternen Grenzen Wert generieren können. Eisenhardt und Santos stützen sich dabei auf ihre gemeinsam entwickelte Organisationsgrenztheorie, welche die unterschiedlichen Auffassungen von Unternehmensgrenzen und deren Auswirkungen aufzeigt. Um den Zusammenhang zum VBS darstellen zu können, soll an dieser Stelle kurz auf diese Theorie eingegangen werden.
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Die Organisationsgrenztheorie untersucht, wie und warum Unternehmen darüber entscheiden, bestimmte Aktivitäten intern zu behalten oder auszulagern. Sie berücksichtigt dabei die vier Faktoren Effizienz, Macht, Kompetenzen und Identität.
· Effizienz: Unternehmen müssen entscheiden, ob es kosteneffizienter ist, eine Aktivität intern zu behalten oder auszulagern.
· Macht: Die Kontrolle über bestimmte Aktivitäten kann Stärke und Einfluss bedeuten.
· Identität: Die Entscheidungen können die Identität und Kultur eines Unternehmens beeinflussen.
· Kompetenzen: Welche Kernkompetenzen sind für das Unternehmen bedeutend, sollen entwickelt oder bewahrt werden.
Wie kann dieses Wissen für Bauzulieferer im B2B angewendet werden?
Aus der Effizienzsicht beurteilen Unternehmen ihre Organisationsgrenzen hinsichtlich der Minimierung ihrer Verwaltungskosten. Die Entscheidung zu Selbsterstellung oder Fremdbezug, wird unter Berücksichtigung von Transaktionskosten, Messschwierigkeiten und Wissensunterschieden getroffen. In der Regel führen hohe Verwaltungskosten dazu, dass Unternehmen Transaktionen eher intern abwickeln. In einem unsicheren Marktumfeld könnten Kunden daher eher dazu bereit sein, enger mit ausgewählten Lieferanten zusammenarbeiten, um diese Kosten zu senken. VBS kann hier aufzeigen, wie eine engere Integration des Lieferanten die Verwaltungskosten des Kunden reduzieren kann. Beispielsweise durch integrierte Lösungen, die die Anzahl der Schnittstellen und die Menge an zu überwachenden Lieferanten verringern. Leistungsbasierte Preismodelle könnten zudem als zusätzlichen Anreiz für den Kunden sorgen, indem Prozessergebnisse garantiert und Risiken geteilt werden. Der Bauzulieferer verkauft also Gesamtlösungen statt Einzellösungen, wodurch Kosten für Integration, Koordination und Überwachung einzelner Subsysteme minimiert werden. Ein gutes Lieferantenbeispiel hierfür ist das Angebot eines Paketboxenherstellers, welcher seine Produkte mit integrierter Hausautomation anbietet. Paketboxen, Sonnerie, Haustür und weitere technische Geräte werden über die alles verbindende Hausautomation gesteuert. Das Herstellerangebot integriert alle wichtigen Bestandteile, die Ausbaustufe erfolgt nach Kundenwunsch und kann mit verschiedenen Preismodellen aufgezeigt werden. Der Kunde spart sich somit u. a. die Überwachung diverser Schnittstellen und mehrerer Lieferanten, der Verwaltungsaufwand geht somit auf den Lieferanten über.
Die Kompetenz-Sicht betrachtet, welche Ressourcen das Unternehmen selbst besitzen und welche es vom Markt beziehen will, mit dem Ziel, den Wert des eigenen Ressourcenportfolios zu maximieren. In Zeiten des Abschwungs müssen Geschäftskunden oft ihre Betriebe herunterskalieren und fixe Kosten reduzieren. Dazu werden Produktionskapazitäten und Ressourcenportfolios an die sinkende Nachfrage angepasst. Anbieter der Bauzulieferbranche können VBS nutzen, um ihren Kunden neue Chancen aufzuzeigen, bei denen sie einige Geschäftsaktivitäten von ihren Kunden übernehmen können, besonders in kapitalintensiven Geschäftsbereichen. Bauzulieferer könnten vom Verkauf von Produkten zu Leasingvereinbarungen wechseln, bei denen der Kunde produktabhängig nach Nutzung zahlt. Ähnlich wie es HILTI bereits mit ihrem Flotten Management anbieten. So könnten beispielsweise die Paketboxanlagen über ein Leasing angeboten werden. Die Verwaltung von Mieterwechseln (Steuerung der digitalen Namensschilder an Sonnerie, Briefkästen und diversen Türen) könnte ebenfalls durch das Angebot abgedeckt werden. Die Automatisierung oder Digitalisierung bestehender Kundenprozesse zur Leistungsoptimierung aus der Ferne (es ist keine physische Präsenz vor Ort nötig) bietet sich hier gut an. Bauzulieferer müssen durch VBS ihre Kunden dabei unterstützen, ihre Unternehmen entsprechend der neuen Marktanforderungen umzugestalten.
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Die Machtperspektive betrachtet, wie Firmen ihre Struktur anpassen, um mehr Kontrolle über wichtige externe Faktoren zu erhalten. Sie konzentriert sich auf die Kontrolle von Austauschbeziehungen hinsichtlich Ressourcenabhängigkeit und Positionsmacht. Das Ziel ist, von Lieferanten unabhängig zu bleiben, ausser es hilft, Kosten zu senken oder Materialfluss zu sichern. In schlechten Zeiten kaufen Kunden oft bei weniger Anbietern, um Kosten einzusparen. Wertbasierte B2B Verkäufer können Kunden davon überzeugen, langfristige oder leistungsbasierte Verträge oder Verträge mit Gewinnbeteiligung einzugehen, um sicherzustellen, dass Kunden dadurch in Krisenzeiten besser abgesichert sind. In solchen Verträgen investiert der Verkäufer in die Optimierung des Kundenprozesses und hilft dabei, Risiken zu verringern. Bauzulieferer sollten die Win-Win-Möglichkeiten für beide Seiten demonstrieren. Dies ist essenziell, um dem Kunden weiterhin das Gefühl zu geben, die Kontrolle über Markteinflüsse zu haben, selbst wenn eine größere Abhängigkeit von den Ressourcen des Lieferanten besteht.
Aus der Identitätssicht legen Unternehmen ihre Strukturen so fest, dass eine Übereinstimmung zwischen Organisationsidentität und ihren Aktivitäten gewährleistet ist. Diese Betrachtung versteht sich in einem sozialen Kontext. Denn Unternehmen definieren und analysieren, wie ihre verschiedenen Stakeholder die Unternehmensaktivitäten in bestimmten Marktumfeldern interpretieren. Diese Sicht ist besonders in turbulenten Zeiten relevant, da sie einen Orientierungssinn vermittelt und alle Handlungen im Einklang mit dem tieferen Zweck der Organisation stehen sollen.
Bauzulieferer können durch den Einsatz marktgestaltender Praktiken versuchen, die Denkmodelle und Normen ihrer Kunden zu verändern und somit auch deren Kaufgewohnheiten. Beispielsweise könnte ein kollaborativer Ansatz diese Anpassungen fördern. Beide Seiten (Generalunternehmer und Metallbauer) betrachten in der Regel Wirtschaftskrisen als kollektive Probleme und erwarten, dass sie zusammen funktionieren, um die verschlechternden Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette zu minimieren. Bauzulieferer nutzen hier ihr Fachwissen, um gemeinsam mit dem Kunden neue Möglichkeiten zur Kosteneinsparung und Umsatzgenerierung zu finden. Verkäufer können den Wert ihres Angebots demonstrieren, indem sie zeigen, wie andere Kunden in Krisenzeiten erfolgreich ihre wertbasierten Lösungen eingesetzt haben. Dadurch werden Kunden empfänglicher, ihre Unternehmensgrenzen zu überdenken. Durch das Experimentieren mit solchen Angeboten können Kunden zu einer dauerhaften Änderung ihrer Kaufidentität bewegt werden.
Zusammenfassend kann man sagen, um Value-based Selling auch während wirtschaftlichen Herausforderungen erfolgreich zu implementieren, sollten Bauzulieferer drei einfache Stellhebel nutzen:
· Betonen der sofortigen Vorteile: Neben langfristigen Einsparungen sollten sie den Kunden aufzeigen, wie sie auch kurzfristig von Kosteneinsparungen oder gesteigerten Einnahmen profitieren können.
· Werte neu ausrichten: Bauzulieferer sollen überlegen, was in der aktuellen Marktsituation für ihre Kunden von Bedeutung ist und entsprechend Angebote anpassen, die echten Mehrwert bieten.
· Innovationschancen erkennen: Die Krise kann als Katalysator für Innovationen genutzt werden. Viele Unternehmen sind in Krisenzeiten offen für neue Kooperationsweisen. Bauzulieferer zeigen auf, wie sie mit VBS nachhaltige Vorteile schaffen und so eine beidseitig gewinnbringende Situation ermöglichen.