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Rückgewinnungsmanagement

Rückgewinnungsmanagement von Pascale Erdin.

 
 

Rückgewinnungsmanagemen: Unternehmen sind trotz verstärkter Bestandeskundenbearbeitung und höherer Investitionen in die Kundenbindung von sinkender Kundenloyalität betroffen, was wiederum zu einer erhöhten Abwanderung führt. Ein effektives Rückgewinnungsmanagement ist entscheidend für Unternehmen, die mit Herausforderungen in der Kundenbindung konfrontiert sind. Nach Beendigung der Geschäftsbeziehung durch den Kunden werden die ehemaligen Kundenbeziehungen und vor allem die profitablen Kunden nicht mehr weiterbearbeitet für eine mögliche Rückgewinnung. Gründe für die Vernachlässigung der verlorenen Kunden sind vielseitig: Neukunden kompensieren die Anzahl verlorenen Kunden, kulturelle Probleme innerhalb der Organisation, die Instrumente der Kundenrückgewinnung sind im Unternehmen unbekannt und die Fokussierung auf die Neukundengewinnung. Da jedoch die Kundenrückgewinnungsmassnahmen im Vergleich zur Neukundengewinnung kostengünstiger sind, lohnt es sich, die Ressourcen in diese Kundenbeziehungsphase zu investieren. Weitere positive Auswirkungen des Kundenrückgewinnungsprozesses sind die Verbesserung des Leistungsangebots aufgrund der gesammelten Abwanderungsgründe sowie die Reduzierung von negativer Mund-zu-Mund-Propaganda.

Der systematische Rückgewinnungsmanagement-Prozess besteht aus kunden- und unternehmensgerichteten Prozessphasen:

Kundengerichtete-Prozessphasen

1. Identifizierung der Rückgewinnungskandidaten: Die Zieltypen können in die Kategorien «Schläfer», «Ehemalige», «Reduzierer» und «Kündiger» eingeteilt werden. Die «Schläfer» und «Ehemaligen» können mit dem Revitalisierungsmanagement bearbeitet werden, welche Massnahmen mit Kampagnen-Charakter beinhalten. Hingegen werden die «Reduzierer» und «Kündiger» mit dem Kündigungsmanagement bearbeitet. Diese Massnahmen werden unmittelbar aufgrund des Kundenverhaltens ausgelöst.

2. Kundenindividuelle Rückgewinnungsanalyse: Diese Phase beinhaltet die drei Aufgaben «wertorientierte Analyse», «Kündigungsgrundanalyse» und «bedürfnisorientierte Analyse». In der wertorientierten Analyse wird der Kundenwert ermittelt, auf dessen Basis entschieden wird, ob es sich lohnt, einen Kunden zurückzugewinnen. Die Kündigungsgrundanalyse bestimmt die Abwanderungsgründe und somit auch die Gestaltung der Rückgewinnungsmassnahmen. Das Ziel der bedürfnisorientierten Analyse ist es, die aktuellen Bedürfnisse des Rückgewinnungskandidaten zu bestimmen und darauf aufbauend ein passendes Rückgewinnungsangebot bzw. die passenden Argumente zu platzieren.

Quelle: Hippner, H., Hubrich, B., Wilde, K. (2011). Grundlagen des CRM: Strategie, Geschäftsprozesse und IT-Unterstützung. (3. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler.

3. Kundenindividuelle Rückgewinnungsmassnahme: Die Qualität der Rückgewinnungsmassnahme muss in der Wahrnehmung des Kunden hoch sein. Dies umfasst den Kontakt, die Problemlösung und das individuelle Rückgewinnungsangebot. Die Rückgewinnungsmassnahmen müssen kundenorientiert und individuell gestaltet sein. Zu beachten gilt es, dass je nach Kanal auch rechtliche Vorschriften für die Rückgewinnungsmassnahmen bestehen und geprüft werden müssen. Grundsätzlich sollte jedoch der vom Kunden bevorzugte Kanal für die Massnahme gewählt werden. Konnte der Kunde trotz Rückgewinnungsmassnahmen nicht zurückgewonnen werden, können dennoch Informationen gesammelt werden. Zusätzlich kann ein «Beautiful Exit» gestartet werden, welcher für spätere Revitalisierungsversuche genutzt werden kann.

4. Eingliederung der zurückgewonnenen Kunden: In dieser Phase ist es wichtig, dass der zurückgewonnene Kunde in die Vertriebseinheit eingegliedert wird. Zusätzlich muss sichergestellt sein, dass die Informationen aus den Rückgewinnungsmassnahmen an die entsprechende Einheit fliessen und die gemachten Versprechungen eingehalten werden. Zudem sollte die «Second Honeymoon»-Phase genutzt und die Zufriedenheit zeitnah abgeholt werden.

Unternehmensgerichtete-Prozessphasen

1. Management des Rückgewinnungswissens: Der potenzielle Informationsnutzen entsteht durch die Verarbeitung und Analyse der Gründe der Abwanderung. Der Informationsnutzen kann ein Profitabilitätstreiber sein. Das Management des Rückgewinnungswissens sorgt dafür, dass alle im Rückgewinnungsprozess gewonnenen Informationen systematisch und maximal wertschöpfend in der Organisation genutzt werden.

2. Controlling der Rückgewinnung: Das Rückgewinnungsmanagement ist nur dann erfolgreich, wenn die eingesetzten Ressourcen zu höherem Profit verhelfen. Das Controlling soll genau dies sicherstellen, indem die Effektivität und die Rentabilität der Massnahmen geprüft werden. Aufgrund der Ergebnisse des Controllings kann der Investitionsentscheid richtig gefällt werden.

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Einführung in der Praxis

Durch Rückgewinnungsmanagement kann sich ein Unternehmen differenzieren. Der Kunde wird wertgeschätzt und der persönliche Kontakt kann genutzt werden. Wenn bereits ein Beschwerdemanagementprozess im Unternehmen besteht, können Synergien genutzt werden, was die Einführung im Unternehmen vereinfacht und zusätzliche Investitionen vermeidet. Neben den Investitionen für die Einführung eines Rückgewinnungsprozesses bestehen noch weitere grundlegende Hürden. Zum Beispiel kann es zu kulturellen Problemen führen. Die Unternehmenskultur muss sich anpassen und den Versuch zulassen, um wertvolle verlorene Kunden zu kämpfen und den Gründen für die Abwanderung auf den Grund zu gehen. Die Abwanderungsgründe müssen vom Unternehmen selbstkritisch hinterfragt und eigene Fehler und Schwächen kritisch betrachtet werden. Grundlage dafür stellt eine funktionierende Fehlerkultur im Unternehmen dar, damit die Abwanderungsgründe ehrlich im System erfasst werden. Diese Punkte benötigen in der Einführung ein geführtes Change Management, damit dieser Wandel in der Organisation erfolgen kann. Eine weitere Hürde stellt die mangelnde informationstechnologische Ausstattung dar. Aufgrund der fehlenden Informationen in CRM-Systemen ist es schwierig, die entsprechenden Analysen durchzuführen, da die Datengrundlage fehlt. Daher muss bei der Einführung des Rückgewinnungsprozesses oft erst eine Datengrundlage geschaffen werden, damit die Analyse für systematische Rückgewinnungsmassnahmen überhaupt erfolgen kann. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der häufig eine Hürde darstellt, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb muss berücksichtigt werden, um mögliche «unzumutbare Belästigungen» zu vermeiden.

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Rückgewinnungsmanagement und die Einführung eines Rückgewinnungsprozesses im Unternehmen sind sinnvoll, da die Investitionen für die Neukundengewinnung oft höher sind als die für eine erfolgreiche Rückgewinnung.

Die Einführung und Umsetzung birgt jedoch einige Schwierigkeiten. Als erstes benötigt es die richtigen Systeme für das Sammeln der Daten. Als nächstes müssen die Daten strukturiert und korrekt gesammelt und erfasst werden. Bereits bei diesen Punkten benötigt es einen kulturellen Wandel. Neue Systeme, neue Prozesse und eine weitere Zielgruppe müssen im Vertrieb bearbeitet werden, was die Organisation vor eine Herausforderung stellen wird. Nach der Gewinnung und Analyse der Daten ist es auch wichtig, dass nicht nur Kundenwert-orientierte-Entscheide gefällt werden. Auch negative Mundkommunikation von Kunden mit niedrigem Kundenwert kann ein Image Schaden für ein Unternehmen darstellen. Darum ist es essenziell, diese Kunden nicht zu vernachlässigen. Trotzdem gilt es abzuwägen, bei welchen Kunden sich Rückgewinnungsmassnahmen lohnen und bei welchen nicht. Es gibt Abwanderungsgründe, bei denen Rückgewinnungsmassnahmen keinen Sinn mehr machen. Grundsätzlich sollte eine Fokussierung der Zielgruppen «abgeworbene Kunden», «unabsichtlich vertriebene Kunden» und «ungewollt ausscheidende Kunden» angestrebt werden. Bei den Rückgewinnungsmassnahmen dieser Kundengruppen ist es wesentlich, dass die Anreize nicht zu grosszügig werden, um nicht andere Kunden zu weiteren Kündigungen zu motivieren. Beim Revitalisierungsmanagement stellt der Zeitpunkt eine Herausforderung dar. Der Zeitpunkt sollte nicht zu spät gewählt werden, da sich die Situation wie auch die Bedürfnisse des Kunden sich in der Zwischenzeit geändert haben könnten. War die Rückgewinnung erfolgreich, ist ein gut funktionierender Prozess und Informationsaustausch zwischen Rückgewinnender-Abteilung und zukünftige Kundenbindungs-Abteilung essenziell. Das Versprochene muss eingehalten werden. Hier gilt es auch in der «Second-Honeymoon-Phase» einen engen Kontakt zum zurückgewonnenen Kunden zu pflegen und die Zufriedenheit abzuholen. Sind die Rückgewinnungsmassnahmen abgeschlossen, ist ein funktionierendes Controlling entscheidend. Das Controlling der Rückgewinnungsmassnahmen muss sicherstellen, dass die richtigen Ressourcen am richtigen Ort eingesetzt werden. Es muss eine Profitsteigerung durch die Massnahmen entstehen, ansonsten sind die Rückgewinnungsmassnahmen zu überdenken und anzupassen. Jedoch darf auch das Ziel der Datengewinnung nicht vernachlässigt werden. Durch die gewonnenen Daten im Rückgewinnungsprozess können wichtige Anpassungen im Leistungsangebot vorgenommen werden, Fehler in der Organisation identifiziert und verbessert werden, was wiederum bei der Kundenbindung der bestehenden Kunden unterstützt.

Rückgewinnungsmanagement ist ein wichtiges Thema, das aktuell bei vielen Unternehmen vernachlässigt wird. Die Implementierung einer robusten Rückgewinnungsmanagement strategie kann zu einer verbesserten Kundenzufriedenheit und nachhaltigem Unternehmenswachstum führen. Ein funktionierender Rückgewinnungsprozess hat viele Vorteile für das Unternehmen, jedoch ist die Einführung und Umsetzung mit einigen Hürden und Herausforderungen verbunden. Trotzdem lohnt es sich, das Thema im Unternehmen aufzugreifen, die Daten zu sammeln, zu analysieren, Massnahmen abzuleiten, umzusetzen, zu überprüfen und so eine Differenzierung zu erreichen.