Digitalisierung der Customer Journey in B2B Märkten von Nicolas Lüthi.
Die Customer Journey ist der Prozess, den ein Kunde über alle Phasen und Berührungspunkte mit dem Anbieter hinweg durchläuft und der das gesamte Kundenerlebnis ausmacht. Sie kann als ein umfassender, komplexer Prozess angesehen werden, der verschiedene Interaktionen und deren zeitlichen Ablauf beinhaltet. Die Customer Journey definiert sich durch eine Sequenz von verschiedenen Touchpoints in den unterschiedlichen Phasen. Touchpoints beziehen sich auf Interaktionen zwischen einem Kunden und einem Hersteller, entweder digital oder physisch, die zu spezifischen Erfahrungen führen. Physische Interaktionen wie Projektmeetings, Servicearbeiten und Beratungstermine bleiben in den meisten B2B Umfeldern relevant, die heutigen B2B Kundenströmen tendieren jedoch immer mehr zur digitalen Form. Studien haben gezeigt, dass bis 2025 80% der B2B Interaktionen digital stattfinden werden. Dies zeigt, wie sehr die Digitalisierung der Customer Journey in B2B Märkten voranschreitet.
Quellen: Lundin L., & Kindström D. (2023). Digitalizing customer journey in B2B markets. Journal of Business Research.
Die in die B2B Customer Journey involvierten Personen beider Parteien können in den verschiedenen Phasen unterschiedliche Rollen einnehmen. Der Ausgang der Customer Journey und die Erfahrungen während dieser können von diesen verschiedenen Rollen abhängen. Somit gilt es die Touchpoints kundenorientiert zu gestalten, um den Kunden möglichst viele positive Erfahrungen zu ermöglichen. Der Einsatz von digitalen Technologien ermöglicht den Kunden eine aktivere Rolle. Die Digitalisierung definiert sich in diesem Kontext durch den Einsatz digitaler Technologien während eines Teils oder der ganzen Customer Journey.
Die Customer Journey kann in die drei Phasen «vor dem Kauf», «während dem Kauf» und «nach dem Kauf» unterteilt werden. In den verschiedenen Phasen dienen die Touchpoints unterschiedlichen Zwecken, wie zum Beispiel der Unterstützung beim Sammeln von Informationen oder bei Zahlungs- oder Bestellabwicklungen. Einzelne Schritte können sehr dynamisch sein und mehrere Akteure in ihren unterschiedlichen Rollen betreffen. Mit einem nahtlosen und konsistenten Prozess können sich die Kunden mit minimalem Aufwand und wenig Barrieren über alle Touchpoints hinwegbewegen.
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Die Digitalisierung beeinflusst die Customer Journey durch…
- das Hinzufügen neuer digitaler Touchpoints
- das Transformieren und Vereinfachen bestehender Touchpoints
- die Einführung neuer Rollen
- das Aktivieren der Kunden
- die Unterstützung der Zusammenarbeit
- die Digitalisierung der Prozesse
Das Hinzufügen neuer digitaler Touchpoints ist vor allem in frühen Phasen der Customer Journey wichtig und basiert auf dem Bedürfnis der Kunden, früheren Zugang zu den Angeboten und Wertschöpfungspotentialen zu haben, bevor es zu einem ersten Kontakt kommt. In dieser Phase machen Kunden von Social Media, Websites und Branchenportalen Gebrauch. Die Transformation, respektive Vereinfachung der Touchpoints beinhaltet hauptsächlich den Einsatz von mehr digitalen Technologien. Dies können zum Beispiel Online-Schulungen, digitale Bestelltools oder auch digitale Produktpräsentationen beinhalten.
Die Digitalisierung und die damit besser verfügbaren Informationen erlauben es, neue Ansprechpersonen und Rollen in die Customer Journey zu integrieren. Durch den einfacheren und ortsunabhängigen Zugang können mehrere Personen in ihren Rollen aktiv werden und mitarbeiten. Die Aktionen sind dementsprechend breiter abgestützt und erlauben dem Hersteller, mit mehreren Personen gleichzeitig zu interagieren. Durch die Digitalisierung sind die Touchpoints vermehrt in der Kontrolle des Kunden. Im Umkehrschluss bedeutet dies weniger Kontrolle für den Hersteller. Zusätzlich vereinfacht die Digitalisierung die Zusammenarbeit von verschiedenen Rollen bei unterschiedlichen Touchpoints in der Customer Journey, womit eine Effizienzsteigerung des Gesamtprozesses erreicht wird.
Die Digitalisierung der Prozesse erhöht vor allem das Know-how der Kunden in früheren Touchpoints und erlaubt, Informationen auf den Kunden individuell anzupassen sowie diese während des Prozesses in die nächsten Schritte zu übernehmen. Das erhöhte Know-how und die Möglichkeit, sich schneller und einfacher in der Customer Journey zu bewegen, kann potentiell zukünftige Phasen verkürzen und den ganzen Prozess somit ebenfalls effizienter gestalten.
Fazit: eine digitalisierte Customer Journey unterstützt B2B Firmen dabei, ihre Aktivitäten und Ressourcen zu priorisieren und effizienter zu gestalten, was sowohl die Kunden- wie auch die Unternehmensprozesse des Herstellers verbessert.
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Digitalisierung der Customer Journey in der Fahrradbranche
Die Digitalisierung und die technologische Entwicklung machen auch vor der Fahrradbranche nicht Halt und wurden durch die Covid-19 Pandemie beschleunigt, in gewissen Bereichen den Herstellern gar aufgezwungen. Die Einschränkungen durch die Pandemie erlaubten keine physischen Produktpräsentationen mehr und Verkaufsgespräche mussten über virtuelle Meetings geführt werden. Auch die Endkonsumenten mussten sich vermehrt digital über die Produkte und deren Verfügbarkeit informieren. Trotz dieser Veränderungen beschränkt sich die Digitalisierung bisher hauptsächlich auf B2C Bereiche wie das Marketing auf der eigenen Website und auf Social Media sowie auf die Möglichkeit für die Endkonsumenten, Fahrräder online zu bestellen via Click&Collect oder Heimlieferung.
Trotz Hauptfokus im B2C Verkauf und Marketing wurden branchenübergreifend bei vielen Herstellern verschiedene Touchpoints in der Customer Journey (zumindest teilweise) digitalisiert. Bei der Digitalisierung im B2B Fahrradhandel tauchen einige Herausforderungen immer wieder auf:
- Die Produkte sind oft erklärungsintensiv
- Der Einkauf ist emotions-, nicht datengesteuert
- Die B2B Kunden sind stehen in ihrer digitalen Transformation an unterschiedlichen Punkten
- Die Aussendienstmitarbeiter befürchten, dass ihre Stelle wegrationalisiert wird
Die 3 erstgenannten Herausforderungen sind mitunter auch Hauptgründe dafür, weshalb die meisten Fahrradhersteller vor der Covid-19 Pandemie Jahr für Jahr aufwändige Händlertage organisiert haben, um die Produkte zu präsentieren und zu verkaufen. Emotionen lassen sich im physischen Kontakt besser übertragen als über eine digitale Präsentation. Diese Gegebenheiten erfordern von den Unternehmen nicht nur die Weiterentwicklung der Digitalisierung, sondern auch Investitionen in den Prozess des digitalen Change-Managements. Ohne die eigenen Verkaufsteams zu involvieren kann die Digitalisierung nicht fortschreiten, respektive nicht den geplanten positiven Verlauf nehmen. Im Rahmen dieses Change-Managements können bereits entwickelte digitale Tools und Strategien eingesetzt und weiterverbreitet werden.
Trotz aller Herausforderungen wurden für die verschiedenen Phasen der Customer Journey erfolgreich digitale Tools entwickelt und implementiert, welche grösstenteils nicht mehr wegzudenken sind. Folgend wird je ein digitales Tool pro Phase erklärt und mit den wichtigsten Vor- und Nachteilen ergänzt.
Vor dem Kauf – digitale Präsentation
Hersteller haben mit grossem zeitlichem Aufwand digitale Händlerpräsentationen erstellt, welche 1-2 Stunden dauern. Die Präsentationen finden gestaffelt 2-3-mal statt, um alle Kunden in den verschiedenen Zeitzonen zu erreichen. Der Fokus dieser Präsentationen liegt auf neuen Produkten und den Verkaufskonditionen.
Vorteile:
- Weltweit werden alle Kunden mit dem gleichen Inhalt erreicht
- Markant ostengünstiger als die jährlich organisierten Händlertage
Nachteile:
- Die Qualität des Kontaktes mit den Kunden verändert sich und ist virtuell weniger persönlich
- Emotionen, welche die Produkte bei einer vor Ort Präsentation auslösen, fallen weg.
Während des Kaufs – digitale Bestellplattformen
Hersteller entwickeln digitale Lösungen für den Bestellprozess, wobei dem Kunden Echtzeitdaten wie Verfügbarkeiten und Liefertermine angezeigt werden. Die digitalen Bestelltools sind grundsätzlich einem B2B Onlineshop gleichzusetzen, wobei jedoch nur die neuen Produkte für die Vorbestellung verfügbar sind.
Vorteile:
- Darstellung von Echtzeitdaten
- Selbstständige Bearbeitung durch Kunden möglich
Nachteile:
- Up- and Cross-Selling durch Aussendienst wird erschwert
- Kontrolle/Steuerung des Portfolios durch Aussendienst wird erschwert
Nach dem Kauf – Online Schulung
Nach dem erfolgreichen (Vor-)Verkauf der Fahrräder gilt es, das Verkaufspersonal der Händler auf die neuen Produkte zu schulen, um dem Endkonsumenten eine professionelle Beratung bieten zu können. Hierfür werden zu jedem Produkt, respektive jeder Produktfamilie, 3-5-minütige Erklärungsvideos gedreht, um die Key-Features und Vorteile der Produkte dem Verkaufspersonal zu vermitteln und anhand kurzer Quiz das Wissen zu testen.
Vorteile:
- Zeitunabhängige individualisierte Schulungsprogramme
- Kunden Monitoring durch Hersteller (wer hat welche Schulung erfolgreich absolviert?)
Nachteile:
- Schulungen fokussieren auf den Key-Features und Vorteilen und gehen meistens nicht ins Detail
- Lernerfolg kann nicht im Detail überprüft werden (haben es alle richtig verstanden? Könnte durch abschliessenden Test zum mindestens teilweise geprüft werden)