Cross-Selling: Die Relevanz von Kundennähe, Kundenbindung oder Kundenwert ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Unternehmen haben erkannt, dass ein überdurschnittlicher Erfolg erzielt werden kann, wenn die Aktivitäten stark an Kundenanforderungen ausgerichtet werden und die Pflege der Beziehung mit wertvollen Kunden sehr gefördert wird. Aufgrund der Schwierigkeit im spezifischen Markt durch verschiedene Teilnehmer zu bestehen sowie die höheren Ansprüche der Kunden richtig zu analysieren, ist es von höchster Wichtigkeit den Fokus auf die richtigen Wertpotentiale attraktiver Kunden zu setzen. Cross-Selling („Überkreuz-Verkauf“) ist ein Beispiel einer Quelle wie das Wertpotential eines attraktiven Kunden aufgrund verschiedener Aktivitäten aufgezeigt werden kann.
Beim Cross-Selling werden dem bestehenden Kunden, welcher bereits Dienstleistungen oder Güter bezieht, weitere Produkte vom Sortiment des Anbieters angeboten. Nicht nur der Umsatz kann dadurch gesteigert werden, sondern auch die Kosten können gesenkt werden. Der zeitliche Faktor spielt in der Wissenschaft eine Rolle. Handelt es sich nur bei einer existierenden Geschäftsbeziehung oder auch bei einem Kaufinteresse eines Kunden um Cross-Selling? Diese Frage wird in der Literatur breit diskutiert aber resultiert nicht in einem klaren Resultat. Weiter ist in der Literatur verankert, dass verschiedene Einflussfaktoren des Cross-Selling-Erfolgs beschrieben werden. Unter anderem werden Faktoren wie Merkmale der Produktstrategie des Anbieters, Merkmale der Mitarbeiter oder Merkmale der Unternehmenskultur angesprochen. Nicht zu vernachlässigen ist ebenfalls die Cross-Buying-Bereitschaft des Kunden, welche einen direkten Einfluss auf den Erfolg der Cross-Selling-Aktivitäten des Anbieters haben kann.
Quelle: Homburg, Schäfer (2006) Die Erschliessung von Kundenwertpotenzialen durch Cross- Selling in Kundenwert (Helm) 4. Auflage 2017
Nebst der stark diskutierten Ausgangslage des richtigen Begriffes für Cross-Selling, gibt es ebenfalls viele verschiedene Auffassungen hinsichtlich des Cross-Selling-Potentials. Um Cross-Selling strukturiert durchzuführen, ist es eine Kernaufgabe für Anbieter, das Wissen über das Cross-Selling-Potential der Kunden zu erweitern. Mit dem Ansatz zur Abgrenzung des Cross-Selling-Potentials gibt es in der Literatur Überlegungen, wie weit der Begriff gefasst werden soll. Hier wird auf der einen Seite zwischen dem bereits gedeckten und dem ungedeckten Bedarf des Kunden aus Anbietersicht unterschieden. Beim gedeckten Bedarf besteht die Möglichkeit, dass der Kunde bereits Produkte von einem Anbieter bezieht. Hier handelt es sich aus der Sicht des Anbieters um Einstiegsprodukte, bei welchen das Angebot oder der Verkauf verbessert werden kann. Beim vorhandenen, aber ungedeckten Bedarf des Kunden besteht für den Anbieter ein Cross-Selling-Potential, sofern die Ergänzungsprodukte oder die Innovation für neue Produkte vorhanden sind.
Auf der anderen Seite wird die Verfügbarkeit der Leistungen des Anbieters gegenübergestellt. Der Anbieter kann die Produkte bereits im Sortiment haben oder muss diese durch die sogenannten Innovationen auf den Markt bringen. Ebenfalls spielt der Wettbewerb bei beiden Seiten eine wichtige Rolle. Im Rahmen dieses Beitrages wird der Fokus auf anbieterrelevante Cross-Selling-Potentiale gesetzt. Zusammenfassend kann das Cross-Selling-Potential eines Kunden für den Anbieter mit folgenden Punkten umfasst werden: „Der Bedarf des Kunden an weiteren Produkten des Anbieters, welche mit den Einstiegsprodukten eine Verbindung haben“ und „Die Bereitschaft des jeweiligen Kunden, diese Produkte beim jeweiligen Anbieter zu beziehen“.
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Um die Anwendung der erwähnten Theorie auf die Firma Mositech zu übertragen, benötigt es eine kleine Erläuterung der Firmentätigkeit. Die Unternehmung Mositech Medizintechnik GmbH wurde 1992 von Herrn Christof Moosbrugger in Dornbirn, Österreich gegründet. Nach der erfolgreichen Eröffnung des Standorts in Wien im Jahr 1994, wurde im Jahr 2011 die Mositech Medizintechnik AG in der Schweiz gegründet und tätig. Das Unternehmen ist ein renommierter Medizinproduktehändler im Bereich der Gastroenterologie und Hepatologie. Neben dem ausgeprägten Produkteservice für Endoskopie Geräte vertreibt das Unternehmen Investitionsgüter wie Endoskopie -Geräte, -Türme, Reinigungs- und Desinfektionsgeräte sowie Endoskop-Trocknungsschränke. Zum weiteren Angebot gehören auch verschiedene wichtige Verbrauchsmaterialien, welche für jeden neuen endoskopischen Untersuch verwendet werden.
Der Vertrieb von Mositech in der Schweiz ist in vier Regionen aufgeteilt. Pro Region ist ein Verkaufsmitarbeiter für die Investitionsgüter und ein Verkaufsmitarbeiter für das Verbrauchsmaterial zuständig. Das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Parteien ist entscheidend, da die einzelnen Mitarbeiter unterschiedliche Kundenbeziehungen pflegen. Für die Region Ostschweiz und Zürich ist Michael Goetschi für das Verbrauchsmaterial und Herr Ralf Hassler für die Investitionsgüter verantwortlich. Das Angebot von Mositech wird von Krankenhäusern sowie privaten Arztpraxen genutzt. Die Kundengruppe ist sehr spezifisch und fokussiert sich stark auf den Bereich Gastroenterologie. Beim Angebot der Verbrauchsmaterialien handelt es sich zum einen um verschiedene Instrumente wie Biopsiezangen, Polypektomieschlingen oder Ventile und zum anderen um Material wie Schläuche oder Schutzkleidung für das Pflegepersonal. Um das Cross-Selling-Potential der einzelnen Kunden zu ermitteln, müssen in einem ersten Schritt verschiedene Daten aufbereitet werden. Bei Mositech werden Kunden-Bestellungen für Verbrauchsmaterialprodukte per E-Mail, per Telefon oder durch den sogenannten Online-Bestellshop getätigt. Da das Produktsortiment über 100 verschiedene Produkte umfasst, werden die Bestellungen auf einer internen Webseite chronologisch angezeigt. Am Ende jedes Monates erhält der Verkaufsmitarbeiter eine PDF-Datei mit der Übersicht der bestellten Produkte des jeweiligen Vormonates. Diese Daten werden dann in ein Excel übertragen. Auf der Übersicht ist ersichtlich, welche Produkte der Kunde bei uns bestellt hat.
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In einem zweiten Schritt muss Mositech definieren, welche Produkte als „Einstiegsprodukte“ gelten und welche Produkte allenfalls gebündelt werden können oder eine starke Verbundenheit aufweisen. In einem konkreten Beispiel kann man von der Excel-Übersicht entnehmen, welche Kunden den CO2-Schlauch bei uns beziehen. Bei endoskopischen Untersuchen von Gastroenterologen wird CO2 sowie destilliertes Wasser benötigt. Für diese Elemente werden Schläuche vom Endoskopie-Turm and das Endoskopie-Gerät angebracht. Der Bedarf des Kunden für diese Schläuche ist vorhanden, da es ohne keine Untersuchungen geben würde. Die Kunden können diesen Bedarf bei unterschiedlichen Anbietern abdecken. In unserem konkreten Beispiel sehen wir dann auf einen Blick, dass zusätzlich zu dem CO2-Schlauch auch ein Wasser-Schlauch einen Bedarf aufweist. Mositech kann dadurch definieren, dass beim CO2-Schlauch direkt der Wasser-Schlauch angeboten werden muss.
Somit ist in einem dritten und letzten Schritt der Aussendienstmitarbeiter verpflichtet bei allen bestehenden Kunden, welche anhand der Excel-Datei einen CO2 Schlauch bei Mositech bestellen, einen Kontakt herzustellen und abzuklären, weshalb der entsprechende Wasser-Schlauch nicht bei Mositech bestellt wird. Natürlich muss unser Wasser-Schlauch mit einem entsprechenden Angebot dann beim Kunden vorliegen. Die Verfügbarkeit der Leistung, in diesem Beispiel von Wasser-Schläuchen, ist gegeben. Zusammenfassend kann man erläutern, dass bereits mit sehr geringem Aufwand ein erstes Cross-Selling-Potential mit dem Ansatz zur Abgrenzung von Homburg und Schäfer ermittelt werden kann. Entscheidend sind die Massnahmen, welche Mositech und die Aussendienstmitarbeiter tätigen. In diesem Beispiel die Definition des CO2-Schlauchs als Einstiegsprodukt und der Wasser-Schlauch als vorhandenes Ergänzungsprodukt. Natürlich darf der entsprechende Mositech-Kundenwert beim Cross-Selling von Wasser-Schläuchen nicht vernachlässigt werden.