Cross-Selling 2023 von Reto Camenzind.
Cross-Selling 2023 als Ansatzpunkt zur Umsatzsteigerung
Wenn es darum geht, Wachstums- und Umsatzpotenziale zu realisieren, ist es naheliegend, neben neuen Kunden auch die bestehenden Kunden genauer zu betrachten. Die Zusammenarbeit mit diesen auszubauen kann je nachdem kostengünstiger und ertragsreicher sein, als komplett neue Kunden zu gewinnen. Sei es in der Form, dass diese mehr der gleichen Dienstleistungen und Produkte beziehen, welche sie schon nutzen, oder weitere Leistungen im Vergleich zu heute beziehen. Stehen neue Dienstleistungen und Produkte für bestehende Kunden im Zentrum, spricht man von Cross-Selling 2023, welches ein vielversprechendes Potenzial darstellen kann.
Wurde erstmal hergeleitet, dass es sich wirklich um ein attraktives Potenzial handelt (absolute Grösse, Zugänglichkeit, Komplementarität zu bestehenden Produkten etc.), so stellt sich die Frage, wie dieses konkret zu realisieren ist. Neben Verkaufsaktivitäten auf Basis von schon vorhandenen Kundendaten, welche es ebenfalls geeignet aufzubereiten gilt, können ergänzend auch Kontakte genutzt werden, welche direkt von Kunden initiiert werden (technische Support-Anfragen, fachliche Anliegen, administrative Themen etc.). Einerseits, um direkt weitere Verkaufsaktivitäten zu starten (Zustellung weiterer Produktinformationen/Offerten, Vereinbarung von Präsentationsterminen etc.) und andererseits als interessanten Ansatzpunkt, um die vorhandene Datenbasis zu erweitern (häufigste Themen von Anfragen, Kundensegmente mit besonderen Anliegen, Zusammenhang von Anfragen mit Marketingaktivitäten etc.).
Quelle: Heumann, Freudenschuss, Wangenheim, Wübben (2011). Realisierung von Cross-Selling Potenzialen durch das Management von kundeninitiierten Kontakten. Zeitschrift für Betriebswirtschaft 2/2011
Die vier CAS des MAS Sales Excellence
Empirische Untersuchung zu kundeninitiierten Kontakten
Eine systematische Untersuchung zu diesem Thema, und zwar anhand von Callcenter-Daten eines europäischen Mobilfunkanbieters, zeigt konkret auf, was bei kundeninitiierten Kontakten hinsichtlich Cross-Selling 2023 besonders von Bedeutung sein kann. Je nach Branche können die Ergebnisse mehr oder weniger direkt verwendet werden. Aber unter anderem aufgrund der umfangreichen Datengrundlage werden doch allgemein wertvolle, grundlegende Mechanismen deutlich, z.B. welchen Einfluss der Grund der Kontaktaufnahme oder die Kundenzufriedenheit hat.
Das Ziel der Untersuchung besteht darin, zu ermitteln, welche Eigenschaften der Kundeninteraktionen geeignet sind, um den Erfolg von Cross-Selling 2023 zu prognostizieren. Grundsätzlich zeichnen sich kundeninitiierte Kontakte, im Vergleich zu unternehmensinitiierten Kontakten, schon besonders dadurch aus, dass die Kunden mit ihrer Kontaktaufnahme aktiv Interesse am Unternehmen zeigen. Zudem wird eine gute Ausgangslage dadurch geschaffen, dass auch Zeitpunkt, Gegenstand und Kanal durch die Kunden bestimmt werden. Welche Grössen jedoch konkret einen Einfluss haben, wurde anhand folgender Hypothesen getestet:
- Zufriedenheit mit der Interaktion hat einen positiven Einfluss
- Direkte Lösung der Anfrage hat einen positiven Einfluss
- Anfragegrund «Informationsbedürfnis» hat einen überdurchschnittlich positiven Einfluss
- Anfragegrund «Rechnung» hat keinen überdurchschnittlich positiven Einfluss
- Wartezeit vor einer Interaktion hat einen negativen Einfluss
Denkwerkstatt Sales Excellence
Ergänzend wurde analysiert, wie sich die Nutzungsintensität eines Cross-Selling-Produktes im Nachgang zu erfolgreichen Kontakten entwickelt. Folgende Hypothesen wurden hierzu aufgestellt:
- Erhöhte Nutzungsintensität kurz nach dem Kauf
- Verringerte Nutzungsintensität mit zunehmender Zeitdauer nach dem Kauf
Unmittelbare Lösung und Kontaktgrund haben signifikanten Einfluss auf den Cross-Selling-Erfolg
Kein positiver Einfluss konnte für die Kundenzufriedenheit mit der Interaktion festgestellt werden, d.h. die erste Hypothese konnte nicht bestätigt werden. Dies mag auf den ersten Blick nicht intuitiv erscheinen, kann jedoch auf die hohen Zufriedenheitswerte mit geringer Varianz in der Datengrundlage zurückgeführt werden.
Die zweite Hypothese, nämlich ob das Anliegen unmittelbar gelöst werden konnte, hatte aber sehr wohl einen positiven Einfluss. Dies kann auf den psychologischen Effekt zurückzuführen sein, dass Menschen nach Erhalt einer Leistung tendenziell eher veranlasst sind, eine Gegenleistung zu erbringen. Kunden könnten sich also ein Stück weit verpflichtet fühlen, dem Kauf einer angebotenen Cross-Selling-Leistung zuzustimmen, nachdem sie eine Leistung wie guten Service oder eine gute Beratung erhalten haben.
Ebenfalls Einfluss hatte der Grund der Kontaktaufnahme (dritte und vierte Hypothese). Bestand der Grund aus einer rein administrativen Standard-Anfrage betr. Rechnungsstellung, so war kein positiver Effekt auf den Cross-Selling-Erfolg ersichtlich. Hingegen schon, wenn der Grund für die Kontaktaufnahme aus einem Informationsbedürfnis bestand. Dies lässt sich als Konkretisierung des schon durch die aktive Kontaktaufnahme zum Ausdruck gebrachten, grundsätzlich vorhandenen Interesses interpretieren. In diesem Fall kommen Unternehmen also zu einem entscheidenden Zeitpunkt im Kaufprozess, der Bestätigungsphase, mit den Kunden in Kontakt. Zu diesem Zeitpunkt richtig zu handeln, d.h. Cross-Selling-Optionen zu kommunizieren und verstärkend die Kundenanliegen direkt zu lösen, ist somit direkt erfolgsbestimmend und stellt eine vielversprechende, unmittelbare Verkaufschance dar.
Die Untersuchungsergebnisse hinsichtlich des Einflusses der Wartezeit (fünfte Hypothese) sind je nach Cross-Selling-Angebot unterschiedlich, d.h. lediglich für die Kategorie «sonstige Dienstleistungen» wird der negative Einfluss bestätigt. Gesamthaft wird die Hypothese in der Untersuchung ohne weiterführende Erklärungen nicht bestätigt.
Die verhaltensbezogenen Hypothesen, d.h. die Hypothesen hinsichtlich Nutzungsintensität (sechste und siebte Hypothese) werden bestätigt, d.h. es zeigt sich das vermutete Verhalten einer erst stärkeren und dann im Zeitverlauf abnehmenden Nutzung des allfälligen Cross-Selling-Angebots.
Cross-Selling 2023 in der Praxis
Trotz fortschreitender Automatisierung finden in Unternehmen noch immer laufend unzählige, mehr oder weniger durch Mitarbeitende geführte Kundeninterkationen statt. Sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich stehen Kunden typischerweise Möglichkeiten zur direkten Kontaktaufnahme zur Verfügung, sei es per Telefon, Mail, Chat, Kundenportal oder öffentlicher Website.
So sei beispielhaft ein Unternehmen angenommen, welches vorwiegend im B2B-Bereich für Web-Applikationen tätig ist. Das Produkt besteht aus einer fachlich hoch entwickelten, modularen und als Standard-Applikation ausgestalteten Lösung für eine bestimmte Branche. Neben der Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme mit bekannten Mitarbeitenden, steht Entscheidungsträgern und Applikationsnutzern ein zentraler Customer Support Service zur Verfügung, bei welchem täglich zahlreiche kundeninitiierte Interaktionen verschiedener Kanäle zusammenlaufen. Dieser sei so konfiguriert, insbesondere einfachere technische, fachliche und administrative Anliegen effizient zu behandeln. Zudem sei eine typische organisatorische Trennung von Operations- und Marketing- & Sales-Aktivitäten angenommen. Im Sinn einer grundlegenden Voraussetzung für einen effizienten Betrieb wird zudem von einem CRM-System ausgegangen, welches u.a. zur Unterstützung und Dokumentation der Kundeninterkationen sowie auch zur weiteren internen Zusammenarbeit eingesetzt werden kann.
Angenommen, das Unternehmen möchte die zahlreichen Interaktionen des zentralen Customer Support Services zur Realisierung von Cross-Selling-Potenzialen nutzen. Welche empirisch bestätigten Ansatzpunkte bieten sich hierbei an, um gezielt und effizient Wirkung zu erzielen?
Organisatorische und systemorientierte Ansatzpunkte
Grundsätzlich sind die kundeninitiierten Interaktionen aufgrund ihrer potenziell positiven Wirkungen auf den Cross-Selling-Erfolg differenziert zu betrachten und sollten direkt mit Marketing- & Sales-Aktivitäten in Verbindung gebracht werden (entsprechende interne Information und Koordination hinsichtlich Ziele, operative Kennzahlen, Kundenkontakte, wichtigste fachliche Themen etc.). Auch wenn sich im B2B-Kontext typischerweise selten Situationen ähnlich eines Impulskaufs präsentieren dürften, so handelt es sich dennoch um persönliche Kundenerfahrungen, welche den Kaufprozess entscheidend bestimmen können. Insbesondere in der Phase der Bestätigung, in welcher nach ausgiebiger Evaluation aufgrund sehr spezifischer Anliegen Kontakt aufgenommen wird, können ausgewählte Interaktionen besonders wichtig sein.
Die Mitarbeitenden, welche als erste Anlaufstelle hinsichtlich Kunden-Support agieren, sollten sich folglich vor allem der positiven Wirkung einer unmittelbaren Lösung von Anliegen bewusst sein. Ebenso sollten die Informationsbedürfnisse nicht isoliert betrachtet werden, sondern als möglichen Anlass für ein Verkaufsgespräch aufgenommen werden, für welche auch zusätzlich Ressourcen eingesetzt werden können. Bei rein administrativen Standard-Anliegen kann die Effizienz im Vordergrund stehen, aber gerade bei fachlich komplexeren Themen und sehr spezifischen Anliegen sollte eine unmittelbare Behandlung über Abteilungs- und Teamgrenzen hinweg sichergestellt werden, wie z.B. im vorliegenden Fall hinschlich klarer Ansprechpersonen und Verfügbarkeit von vertieftem Fachwissen zu den einzelnen Applikationsmodulen.
Die Vermittlung dieser Erkenntnisse und die zugehörige Ausrichtung der operativen Tätigkeiten kann erstens rein kommunikativ, z.B. in Form eines Leitfadens für die Kundeninteraktionen, und führungsmässig, z.B. als Bestandteil von Zielvereinbarungen, adressiert werden. Zweitens sind aber auch unterstützende Systeme entsprechend auszugestalten, d.h. es sollte im CRM-System v.a. die Voraussetzung geschaffen werden, dass Gründe für die Kontaktaufnahme und die unmittelbare Erledigung direkt dokumentiert werden können, einerseits mit dem Zweck der direkten Anwendung, andererseits als Basis für nachfolgende Analysen. Ebenfalls als allfällige direkte CRM-Integration ist die weitere interne Behandlung von nicht initial gelösten Anliegen anzugehen. Insbesondere Kontaktpunkte/-personen für weitere fachliche Abklärungen sind direkt im Prozess der Bearbeitung der Kundenanfragen zu berücksichtigen (z.B. Weiterleitung von Anrufen, Mails etc. zu Mitarbeitenden mit spezifischem Fachwissen).
Gezielte Erweiterung der Datenbasis für nachhaltigen Erfolg
Es ist möglich, dass einige der abgeleiteten Handlungsempfehlungen in der Praxis bereits zur Anwendung kommen. Wann immer dies jedoch eher intuitiv und zufällig geschieht, besteht ein Potenzial, systematischer Wert zu schaffen und sich gegenüber Mitbewerbern zu differenzieren. Zudem ist nicht zu unterschätzen, welche Möglichkeiten eine verlässliche Datenbasis bietet, um kontinuierlich Unternehmensspezifika herauszuarbeiten. Gerade wenn es um den Einsatz von statistischen Modellen und Machine Learning Algorithmen geht, z.B. zur dynamischen, kundenspezifischen Produktempfehlung, sind hochwertige, granulare Daten unerlässlich und können zu entscheidenden Vorteilen für Kunden und Unternehmen werden.
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