Segmentierung 2021 von Philippe Frei.
Es ist ein Zeichen der Zeit, dass eine seriöse Segmentierung 2021 des Markts im Vertrieb immer wichtiger geworden ist. Wo früher Organisationen ein kleineres Sortiment an Produkten oder Dienstleistungen anzubieten hatten und sich der Kundenstamm meist auf persönliche Kontakte beschränkte, ist der Vertrieb und die Kundenbetreuung längst sehr viel komplexer und somit anspruchsvoller geworden. Einerseits hat das mit der Vielfalt des Angebots und der Anzahl Marktteilnehmer zu tun, andererseits jedoch auch mit den veränderten Bedürfnissen der Kunden resp. deren Einstellungen und ihrem Einkaufsverhalten. Kunden sind unterschiedlich und ihre Erwartungen sind gestiegen, an der Erkenntnis kommt inzwischen kein Unternehmen mehr vorbei. Aber auch die Marketing- und Absatzmöglichkeiten sind, insbesondere durch die Digitalisierung und den Online-Handel, heute durch Multi- und Omni-Channel-Lösungen vielseitiger also früher.
Darum erstaunt es sehr, dass immer noch viele Organisationen gegenüber «Einheitskunden» agieren, als die Heterogenität der Kundschaft anzuerkennen. So sehen das jedenfalls Homburg et al. (2001, S. 34) in ihrer Beobachtung. Auch Staudacher (2021, S. 234) stellt fest, dass Organisationen ihr Kundenbeziehungsmanagement nach den «Giesskannenprinzip» oder dem «Schrottflintenprinzip» betreiben. Das heisst, dass bei dieser undifferenzierten Vorgehensweise allen Kunden das gleiche Erlebnis geboten wird. Das ist jedoch nicht mehr erfolgsversprechend, die Effizienz leidet massgeblich und die Begeisterung der Kunden hält sich in Grenzen. Eine duale Marktsegmentierung macht da viel mehr Sinn. Dabei werden informationsbezogene Ziele (Kundenverhalten, Informationsgewinnung und Verarbeitung) und die aktionsbezogenen Ziele (Auswahl der Segmente und Auswahl der Instrumente) separat betrachtet.
Kunden-Teilsegmente müssen in sich homogen und untereinander heterogen sein. Der ideale Prozess zur Marktsegmentierung sieht vor, dass Organisationen sich in einem ersten Schritt über das Ziel der Segmentierung im Klaren sein müssen, d.h. welchem Zweck sie dienen soll und wie sich der relevante Gesamtmarkt räumlich, zeitlich und sachlich abgrenzen lässt. Bei der Segmentierung selbst ist darauf zu achten, dass diese in einer sinnvollen Anzahl gewählt wird. Zu viele verschiedene Segmente können die Wirtschaftlichkeit in Frage stellen, indem die differenzierte Bearbeitung viele Ressourcen in Anspruch nimmt.
Schauen wir nun etwas genauer auf das B2C-Geschäft. Dort wird bei der Segmentierung in vier Dimensionen unterschieden. Dabei lassen sich Kunden leicht in geographische und sozio-demographische Merkmale einteilen, da diese Daten meist verfügbar resp. leicht zu evaluieren sind.
Die eigentliche Königsklasse der Segmentierung von Kunden stellt jedoch die Einteilung in psychographische und verhaltensbezogene Kriterien dar. Die Kenntnis darüber, wie der Kunde tickt und wie er sich beim Konsum verhält, verspricht die grösste Effizienz im Einsatz von Vertriebsaktivitäten und maximiert somit die Erfolgschancen. Der Nachteil dabei ist, dass diese Informationen meist nicht vorhanden oder nur sehr aufwendig zu erheben sind. Zu diesen Daten kommt man z.B. durch Umfragen oder dem systematischen Erfassen der laufenden Kundenvorgänge im CRM-System. Die Grossverteiler Migros und Coop erheben beispielsweise auf letztere Art massenhaft solcher Kundendaten. Mit ihren Bonusprogrammen wissen sie genau, welche Produkte ihre Kunden bevorzugen, wann, wo und wie oft sie einkaufen und in welchem Preissegment sie das tun. So erstaunt es dann doch sehr, dass beide Organisationen kaum etwas aus diesem wertvollen Wissen machen. Bei allen Kunden landet schlussendlich dasselbe Migros-Magazin, dieselbe Coop-Zeitung mit Einheitsangeboten in den Briefkästen, und auch über die Apps wird das Angebot nicht individualisiert. Da ist er also wieder, der Einheitskunde.
Fazit Segmentierung 2021
- kein Vertriebserfolg ohne strukturierte Segmentierung
- der Einheitskunde ist definitiv Geschichte
- duale Segmentierung als ganzheitliche Betrachtung
- am Anfang der Segmentierung steht das Ziel resp. der Zweck
- zu viele Segmente sind wirtschaftlich nicht bearbeitbar
- die Kenntnis über die Persönlichkeit und das Kaufverhalten der Kunden ermöglicht Differenzierung
- Kundendaten müssen systematisch analysiert werden
- die Individualisierung der Marketingmassnahmen und des Angebots maximiert den Absatzerfolg
Beispiel Segmentierung 2021 in der Immobilienbranche
Auch für die Immobilienbranche ist bei der Vermietung von Wohnungen und kommerziell genutzten Flächen eine seriöse Segmentierung 2021 der Zielgruppe unerlässlich. Bei Erstvermietungen oder Erstverkauf sind die Vermarktungs-dienstleister, die für den Vertrieb der Miet- bzw. Verkaufsobjekte verantwortlich sind, darauf angewiesen, dass sie einerseits bereits bei der Planung einer Immobilie involviert werden oder dass die Entwickler selbst ihre Hausaufgaben bezüglich der richtigen Segmentierung der Zielgruppen seriös gemacht haben. Nicht selten kommt es vor, dass Liegenschaften am Markt resp. am richtigen Zielgruppensegment vorbei entwickelt werden, weil die schöne, individuelle Architektur der nachhaltigen Nutzbarkeit vorgezogen wird. Es ist aber nicht die Architektur, welche den Wert einer Immobilie definiert, sondern es sind die Nutzer, welche langfristig einen marktfähigen Mietzins bezahlen.
Wenn also nicht das richtige Zielgruppensegment identifiziert wurde, sind harzige Vermarktungsprojekte mit hohen Vertriebskosten und langfristige Leerstände das Resultat. Im schlimmsten Fall muss die Immobilie, so gut es geht, angepasst oder gar umgenutzt werden. Die Kosten für das Versäumnis einer sauberen Segmentierung der Zielgruppe zu Beginn der Projektentwicklung sind dann enorm hoch und kaum mehr zu refinanzieren. Der wichtigste Wertfaktor für die Eigentümer, eine gute Rendite, wird stark in Mitleidenschaft gezogen.
Bei Wiedervermietungsprojekten, wenn für vermietete Objekte ein Nachfolgemieter gesucht werden muss, besteht zumindest aus dem bisherigen Betrieb der Liegenschaft die Erkenntnis, welches die richtige Zielgruppe ist. Der Mietermix spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Mieter müssen zusammenpassen, um das Potential einer intakten Community und der Vernetzung zu maximieren. Das erhöht die Chance für eine längere Verweildauer. Jedoch gilt auch bei der Wiedervermietung, sich immer wieder von neuem mit der Segmentierung auseinanderzusetzen resp. diese zu hinterfragen. Denn: Die Bedürfnisse der Nutzer an die Immobilien verändern sich laufend, u.a. getrieben durch die Megatrends wie Mobilität etc., aber auch durch Ereignisse wie Covid-19. Ein Beispiel dafür ist, dass für grössere Wohnungen ab 3½ Zimmern Paare oder Familien das naheliegende Zielgruppensegment sind. Mit Covid-19 und der Erkenntnis, dass es auch zu Hause Raum für ein Arbeitsplatz geben muss, gehören auch immer mehr Einzelpersonen zur Zielgruppe. Eine genaue und vor allem laufende Beobachtung der Bedürfnisse und der Marktveränderungen führen demnach zum Erfolg.
Bei Wohnungen wird die Segmentierung im Wesentlichen anhand demografischer und sozio-ökonomischer Kriterien ermittelt. Die primäre Zielgruppe befindet sich immer bereits im Umfeld einer Immobilie. Eine statistische Auswertung von Livit aus dem Jahr 2019 ergab, dass die Mehrheit der Mieter in einem Radius von lediglich zwei bis drei Kilometern umziehen. Mit dieser Erkenntnis lässt sich die Bevölkerungsstruktur in der Umgebung einer Immobilie anhand der beiden erwähnten Kriterien leicht ermitteln. Quellen wie das Bundesamt für Statistik (www.bfs.admin.ch), GeoInfo von Wüest & Partner (www.wuestpartner.com) u.a. liefern dafür genügend Informationen. Nutzbare Quellen für verhaltensbezogene oder Persönlichkeitskriterien gibt es für Wohnungsmieter nur sehr wenige. Dabei sind gerade diese spannend, um die Zielgruppen aufeinander abzustimmen. Livit zieht deshalb meist die Sinus-Milieus (www.sinus-institut.de) heran, um zusätzliche Kenntnisse über das richtige Zielgruppen-Segment anhand der Einstellungskriterien zu erhalten.
Bei der Zielgruppe für kommerzielle Immobilien erfolgt eine erste Segmentierung anhand des Produkts und ihrer vorgesehenen Nutzung. Diese unterscheiden sich in Retail, Büro und Gewerbe (Produktion), Logistik etc. Eine weitere Segmentierung ist vor allem bei den Büronutzungen von grosser Bedeutung, da dort die Branchenvielfalt gross und die Vielfalt der Bedürfnisse somit weitreichend ist. Interessante Daten liefert das Segmentierungstool von Fahrländer Partner (www.fpre.ch). Im Idealfall führt eine Clusterung zur richtigen Segmentierung. Nutzer aus denselben Branchen ziehen sich oft gegenseitig an. Bekannte Clusterungen sind beispielsweise in Genf zu beobachten, wo zahlreiche Privatbanken vertreten sind. Auch der Paradeplatz in Zürich und die nähere Umgebung, welcher durch die Präsenz der Grossbanken UBS und Credit Suisse das Schweizer Finanzzentrum darstellt, ist ein Clustermarkt. Letztlich ist auch in Basel eine Clusterung zu erkennen. Dort dominieren die Pharma-Konzerne vor Roche und Novartis. Ein aktuelles Beispiel für eine typische Clusterung liefert das Grossprojekt The Circle am Flughafen Zürich, in den Microsoft als grosses IT-Unternehmen eingezogen ist. Viele weitere grössere oder kleinere Unternehmen im Branchen-Segment IT zogen nach. Der First Mover hat demnach die Zielgruppen-Segmentierung ermöglicht.
Fazit: Ohne seriöse Segmentierung bereits in der Planung einer Immobilie besteht ein sehr grosses Risiko, dass am Markt vorbei entwickelt wird und die Rendite darunter leidet. Eine laufende Überprüfung des richtigen Zielgruppen-Segments hilft dabei, Immobilien nachhaltig erfolgreich zu positionieren.
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