Key Account Management 2021 von Philippe Frei.
Einzelne Unternehmen haben oft ein unterschiedliches Verständnis von Key Account Management 2021 (KAM). Was sich auf einen Nenner bringen lässt, ist das Verständnis, dass es sich um die bevorzugte Betreuung von grossen und/oder wichtigen Kunden handelt, um mit diesen das grösstmögliche Umsatzpotential zu erzielen. Wie lässt sich aber das Key Account Management bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise definieren? Nach Hartmut Sieck (Key Account Management, 4. Auflage 2019), ist «Key Account Management ein mittel- bis langfristig orientierter, Team-basierter, ganzheitlicher Ansatz, um die Geschäftsbeziehung zu wenigen wichtigen, strategischen Marktteilnehmern (direkte und indirekte Kunden sowie Influencer), von heute und morgen zu managen».
Was aber bedeutet das nun im Detail? Gerade die Perspektive bei langfristigen Geschäftsbeziehungen ist schwieriger geworden – wo früher ein Planungshorizont von zehn Jahren angestrebt wurde, haben Einflüsse wie die Globalisierung und die technische Entwicklung dazu beigetragen, dass sich Marktsituationen schneller verändern als früher und ein Planungshorizont von mehr als drei bis fünf Jahren kaum mehr realistisch erscheint.
Key Accounts haben den Anspruch, in allen Belangen bevorzugt behandelt zu werden. Darum ist für das professionelle Key Account Management 2021 ein Team-basierter KAM-Ansatz anzustreben, da grosse Kunden meist mit verschiedenen Bereichen des Unternehmens in Kontakt stehen. Es muss sichergestellt sein, dass gegenüber dem Kunden mit einer konsistenten Haltung agiert wird. Liefert ein Bereich unzureichende Resultate respektive Dienstleistungen oder stellt er die Bedürfnisse des Kunden nicht ins Zentrum, so leidet die Kundenzufriedenheit gegenüber der ganzen Unternehmung. Deshalb besteht eine der zentralen Aufgaben des Key Account Managements darin, die verschiedenen internen Teams im Kontakt mit dem Kunden zu orchestrieren. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, nur wenige Kunden als Key Accounts zu benennen. Viele Kunden mit einem ganzheitlichen KAM-Ansatz bevorzugt zu behandeln, funktioniert in der Regel nicht.
Einer der zentralsten Gründe für professionelles Key Account Management 2021 stellt für Unternehmen die Abhängigkeit von wenigen grossen Kunden nach dem 80/20- oder Pareto-Prinzip dar. Geht die Geschäftsbeziehung zu einem dieser Kunden verloren, fällt ein substanzieller Teil des Gesamtumsatzes weg. Durch die strukturierte, kundenzentrierte und somit bevorzugte Betreuung dieser Accounts kann das Risiko einer Abwanderung minimiert werden, oder dieses Risiko kann zumindest frühzeitig erkannt werden. Parallel ist es zudem wichtig, Key Accounts von morgen zu identifizieren und zu entwickeln. Dazu gehören auch Start-ups mit interessanten, zukunftsorientierten Geschäftsmodellen. Auch so kann dem Umsatzausfallrisiko durch die Abwanderung eines bestehenden Key Accounts vorgebeugt werden.
Die Globalisierung trägt dazu bei, dass die eigene Komplexität oder die der Kunden grösser wird. Werden global aufgestellte Kunden nicht durch das Key Account Management einer weltweit tätigen Unternehmung zentral betreut, besteht die Möglichkeit, dass mit demselben Kunden in den verschiedenen Länderorganisationen für dieselben Produkte unterschiedliche Konditionen ausgehandelt werden. Merkt der Kunde das, wird er seine globalen Bestellungen über die Länderorganisation mit den günstigsten Konditionen tätigen. Markante Umsatzeinbussen wären die Folge.
Ein grosses Potential, welches durch das KAM ausgeschöpft werden muss, ist die Entwicklung des Wachstumspotentials von Kunden. Eine Studie von Sales-Profis zeigt, dass nur ca. 30 Prozent der Kunden mehr als eine Produktkategorie eines Lieferanten beziehen. Demgegenüber wären jedoch 60 bis 90 Prozent der Kunden bereit, weitere Produkte zu beziehen. Das eröffnet erhebliches Cross Selling-Potential, welches nur mit tiefgreifendem Kundenwissen und einem Vertriebsansatz durch das Key Account Management ausgeschöpft werden kann.
Ein nicht zu unterschätzendes Potential ist die Nähe zu den Kunden der direkten Kunden. Liefert zum Beispiel ein Unternehmen seinem direkten Kunden Teile für den Bau von Automotoren, so kann es mit der Nähe zum Fahrzeughersteller selber die Verwendung seiner Teile durch den Motorenbauer wesentlich beeinflussen – ein gutes Beispiel, dass auch Kunden zu Key Accounts werden können, ohne dass mit diesen direkter Umsatz generiert wird.
Der gesamtheitliche Ansatz eines professionellen Key Account Managements geht also weit über den regelmässigen Kontakt zum Kunden durch eine*n Sales-Affine Betreuer*in hinaus. Dennoch wird das Jobprofil des/der Key Account Manager*in immer mehr verwässert. So sind auf den Job-Portalen meist zahlreiche Stellen mit dieser Bezeichnung zu finden. Jedoch macht noch lange nicht jede*r Key Account Manager*in auch Key Account Management. Vielmehr geht der Trend weg vom klassischen KAM-Ansatz hin zum strategischen Key Account Management. Konkret bedeutet dies, dass nicht mehr nur der Umsatz als Kriterium für die Ausgestaltung von Key Accounts entscheidend ist, sondern der Wert, den ein Kunde auch auf der strategischen Ebene für ein Unternehmen generieren kann.
Zentrale Erkenntnisse zu Key Account Management 2021
KAM…
- nur bei wenigen Kunden angewendet werden soll.
- über einen immer kürzeren Planungshorizont betrachtet werden kann.
- ein Team-basierter Ansatz ist – «one consistent message to the consumer».
- das Wachstumspotential von bestehenden und neuen Kunden ausschöpft.
- sich vom klassischen zum strategischen KAM transformiert.
Die grossen Schweizer Immobiliendienstleister betreuen ihre grössten Kunden über eine KAM-Organisation. Dies, weil diese Kunden, meist grosse institutionelle Immobilien-Investoren, unterschiedlichste Bedürfnisse gegenüber verschiedenen Stellen wie beispielsweise der Bewirtschaftung oder der Buchhaltung haben. Dazu fordern Sie einen Single Point of Contact, der durch das KAM sichergestellt wird. Betrachtet man die Organisationen etwas näher, kann man erhebliche Potentiale in der Weiterentwicklung hin zu einem ganzheitlichen Key Account Management feststellen. Dies, weil diese Unternehmenseinheit meist historisch gewachsen ist und es früher genügte, eine reine Kontrollfunktion zu übernehmen. Darin enthalten waren vorwiegend die Sicherstellung der Qualitätsanforderungen der Kunden und die Einhaltung der Budgets. Doch es reicht schon lange nicht mehr, die Kunden nur mit diesen Tätigkeiten zu betreuen. Auch gilt es im Sinne der Kundenentwicklung die noch meist reaktive Haltung aufzugeben und in eine proaktive, antizipierende Rolle überzugehen.
Einer der zentralen Treiber, warum sich die KAM’s der Immobiliendienstleister weiterentwickeln müssen, ist die Digitalisierung, welche die Branche vor wenigen Jahren intensiv erfasst hat. Lange hat sich die Immobilien-wirtschaft, ähnlich wie die Finanzbranche, nicht mit der Digitalisierung auseinandersetzen müssen. Dazu war der Leidensdruck schlicht zu klein, sich entsprechend zu bewegen. Das hat sich jedoch geändert. Die Gründe dafür sind die herausfordernden Marktsituationen infolge des Angebotsüberhangs, die stetig steigenden Anforderungen und Erwartungen der Eigentümer und der Mieter sowie der Druck auf die Honorare. Die Branche beginnt sich nun zu digitalisieren, und dadurch entstehen vermehrt neue Produkte und Prozesse, von welchen die Immobilien-Eigentümer profitieren können. Darüber hinaus befassen sich die Immobiliendienstleister allgemein mit der Entwicklung neuer Produkte, um den stetig steigenden Druck auf die Bewirtschaftungs-Honorare durch weitere Ertragspotentiale oder bezahlbare Value Added Services zu entlasten.
Dieser Trend steigert das Upselling-Potential erheblich, und an die/den Key Account Manager*in werden neben ihrer/seiner Funktion als Controller*in immer grössere Anforderungen an ihre/seine Sales-Fähigkeiten gestellt, welche darum angeeignet oder ausgebaut werden müssen. Die erweiterte Produktpallette und neue, digitale Prozesse erfordern zudem ein tiefgreifendes, technisches Verständnis, um den Key Accounts die relevanten Mehrwerte aufzeigen und verkaufen zu können. Fehlt dieses technische Verständnis für die Digitalisierung, wird es dem/der Key Account Manager*in zudem kaum möglich sein, dahingehende Bedürfnisse der Kunden zu antizipieren und mit ihnen zusammen Lösungen zu diskutieren (Co-Creation) bzw. zu präsentieren. Die reaktive Haltung abzulegen, wird zur Herausforderung und die aktive Kundenentwicklung fast unmöglich.
Auch die Kundenwertermittlung und die damit verbundene Bestimmung von Key Accounts erhielt durch die Digitalisierung neue Aspekte. Es genügt nicht mehr, die Kunden aufgrund ihrer Grösse oder dem Ertragspotential zu bewerten. Vielmehr muss die/der Key Account Manager*in die Digital-Strategie der Kunden kennen und verstehen, da dies zu einem wesentlichen Faktor für den Kundenwert eines sich digitalisierenden Immobiliendienstleisters geworden ist. Hat der Kunde eine eigene oder allenfalls keine digitale Transformationsstrategie und will sich nicht dahingehend bewegen, kann es sogar sein, dass ein Kunde mittelfristig aufgegeben werden muss, wenn dieser aufgrund der eigenen Digital-Strategie nicht mehr effizient betreut werden kann.
Während also die Ausrichtung des Key Account Management der Immobiliendienstleister für die Eigentümerkunden erhebliches Entwicklungspotential aufweist, wird ein Bereich noch fast gänzlich vernachlässigt. Grosse Mieter von kommerziellen Flächen werden kaum oder nur mit ganz wenigen Ansätzen eines professionellen Key Account Managements betreut. Die Wichtigkeit, auch diese Kundengruppe mit einer KAM-Organisation zu betreuen, wird immer deutlicher. Veränderungen von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ergeben sich kurzfristiger, dies auch aufgrund der Beschleunigung von globalen Trends. Die Covid-19-Pandemie und ihre Auswirkungen sowohl auf den Büroflächen- als auch auf den Retailmarkt sind ein eindrückliches Beispiel dafür. Auch die Digitalisierung sorgt dafür, dass sich die Märkte noch schneller verändern. Unternehmen müssen sich daher in Bezug auf Ihre Infrastruktur stetig anpassen können, Flexibilität in den Mietverträgen ist gefordert. Mit kürzeren Mietvertragslaufzeiten erhöht sich das Abwanderungsrisiko der Mieter, und mit dem Verlust eines grossen Mieters resultieren beim Eigentümer erhebliche Mietzinseinbussen und beim Immobiliendienstleister Honorarverluste. Um dieses Abwanderungsrisiko wirkungsvoll abzuschwächen, bedarf es einer viel intensiveren Betreuung der Kunden durch eine KAM-Organisation.
Es gilt, mit einem strukturierten Kundenbeziehungsmanagement zu den Entscheidungsträgern, aber auch durch gute Kenntnisse der Märkte der Kunden, mögliche Veränderungsbedürfnisse frühzeitig zu erkennen, um proaktiv Lösungen zu präsentieren. Es gilt, die Unternehmen im eigenen Ökosystem zu halten, auch wenn die Veränderung unausweichlich ist. Letztlich können die Immobiliendienstleister einerseits beim Onboarding eines grossen Mieters die Betreuung durch das Key Account Management als Value Added Service einsetzen. Andererseits ist der Bestand einer KAM-Organisation für Grossmieter auch bei der Akquisition eines Kunden auf der Eigentümerseite ein Argument mit Differenzierungspotential, welches als Mehrwert verkauft werden kann.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass bei den grossen Immobiliendienstleistern Potential besteht, ihre KAM-Organisationen in Richtung gesamtheitlichem Ansatz weiterzuentwickeln. Das werden sie nur dann schaffen, wenn sie nebst ihrer ursprünglichen Funktion als Controller*in und Qualitätsmanager*in den Fokus auch auf die strategische Weiterentwicklung der Kunden legen, den Vertrieb stärken und die Mitarbeitenden dahingehend befähigen. Dieser Ansatz eines modernen Key Account Managements soll sowohl bei den Eigentümerkunden als auch bei grossen kommerziellen Mietern angewandt werden.
Quelle:
Hartmut Sieck – Key Account Management, 4. Auflage 2019