Aus dem Unterricht Kundenbeziehungsstrategien 2019 berichtet Renato Wyss
«Nichts ist so beständig wie der Wandel» meinte vor gut 2500 Jahren bereits Herakles und hat in all den Jahren nicht an Richtigkeit verloren. Dies zeigt sich besonders im Verkauf und Marketing. In den goldenen 50er und 60er Jahren fokussierte sich das Marketing ausschliesslich auf das Produkt. Die 70er und 80er Jahre waren hingegen von der Markt- bzw. Wettbewerbsorientierung geprägt. Erst die 90er Jahre brachten den Kunden in den Fokus. Seit über 20 Jahren befindet sich das Marketing in den entwickelten Ländern in der Phase der Kundenorientierung (nach Bruhn, 2000). So sind es aber die in vielen Branchen mittlerweile gesättigten Märkte, welche Unternehmen dazu zwingen, sich über ein Kundenbeziehungs-Management nicht nur Gedanken zu machen, sondern im Unternehmen konkrete Kundenbeziehungsstrategien zu definieren und etablieren. Dabei ist zu beobachten, dass manche Dimensionen von Kundenbeziehungsstrategien stärker in der Praxis genutzt werden, als andere.
Welche Strategien gilt es nun aber zu definieren?
Wenn wir als Basis einen der unzähligen in der Literatur anzutreffenden Kundenlebenszyklus nehmen, dann lassen sich daraus vier grundlegende Kundenbeziehungsstrategien ableiten: Die Kundengewinnung, das Kundenwachstum, die Kundenbindung sowie die Kundenrückgewinnung.
Für die Phase der Kundengewinnung, passt das aus dem Marketing als Werbewirkungsprinzip bekannte AIDA-Modell (Attention – Interest – Desire – Action) perfekt. Bei Attention und Interesst geht es um die Interessensgewinnung, während Desire und Action die Strategie zur Neukunden-Akquisition definieren. Zentrale Elemente der Kundengewinnungsstrategie sind die Segmentierung (nach Produkten und Kunden) sowie die Definition der Absatzkanäle. Letzteres hängt nur bedingt davon ab, ob Sie in einem B2B- (Business-to-Business) oder B2C-Markt (Business-to-Consumer) tätig sind. Ob Direkter- oder Indirekter-, Ein- oder Mehrkanalvertrieb. Die Determinanten für die Entscheidung der Vertriebswege liegen beim Zielmarkt, beim Produkt selber, bei der Konkurrenz aber auch bei den Bedingungen im generellen Marktumfeld.
Besonders im B2B-Umfeld sind die Investitionskosten zur Kundengewinnung oft hoch. Ein ROI (Return-On-Investment) wird teilweise erst nach mehreren Monaten oder Jahren erreicht. Mit einer Strategie zum Kundenwachstum kann der Kundenbezogene Gewinn über die Zeit der Kundenbeziehung deutliche erhöht werden. Das klassische Instrument ist der Folgeverkauf. Sie kaufen einen Drucker und benötigen in regelmässigen Abständen Toner. Ebenfalls oft trifft man im Alltag das Cross- und Up-Selling an. Sie kaufen z.B. einen einzelnen Burger und der Verkäufer fragt sie ob Sie noch Pommes dazu möchten… Klassisches Cross-Selling. Entscheiden Sie sich aber für das gesamte Burger-Menu, haben sie ein Up-Selling getätigt. Cross- und Up-selling sollten keine Zufallsverkäufe sein, sondern setzen eine gezielte Analyse jeweiligen Produkte und natürlich Kunden voraus. Egal in welcher Branche ein Unternehmen tätig ist, je höher der Share-of-Wallet (Kundenanteil) eines Kunden beim jeweiligen Unternehmen ist, desto weniger gibt er beim Mitbewerb aus und desto höher wird der Kundenbezogene Gewinn. In eine effektive Kundenwachstums-Strategie gehört auch das Weiterempfehlungsmanagement. Eine positive Weiterempfehlung ist die beste Werbung. Deswegen honorieren heute viele Unternehmen ihre bestehenden Kunden für Weiterempfehlungen.
Eine Studie von Nielsen zeigt auf dass 92% der Konsumenten einer Weiterempfehlung (Word of mouth) von Bekannten mehr trauen als jeglicher Form der Werbung. Dieser Wert ist in den vergangen 10 Jahren sogar um 18% gestiegen. Aber wie finden Sie nun heraus, ob Ihr Unternehmen oder Produkt weiterempfohlen wird? Eine gute Methode ist der Net Promoter Score (NPS). Diesen ermitteln Sie mittels Kundenbefragung, wobei der NPS Score als Absolute Zahl die Differenz zwischen denen welche das Unternehmen weiterempfehlen, und denen die es nicht tun, ist. Je höher der Score, desto eher werden Sie weiterempfohlen.
Wie bereits beim Kundenwachstum erwähnt, wird der Kundenbezogene Gewinn in der Regel höher, je länger er dem Unternehmen treu bleibt. Eine Strategie zur Kundenbindung macht es für Mitbewerber schwieriger Kunden abwerben zu können, bzw. reduziert die Wechselbereitschaft beim diesen. Zudem ist das Halten und Nutzen bestehender Kundenpotentiale einfacher und in der Regel kostengünstiger als neue Kunden zu Akquirieren. Im Durchschnitt gehen 65 Prozent des Unternehmensgeschäfts auf bestehende und zufriedene Kunden zurück (Quelle: Prof. Dr. Florien Siems, RWTH Aachen nach Werani 2002). Eine neuen Kunden zu Akquirieren kostet je nach Branche um das 5- bis 15-fache mehr.
Einer der grössten und wichtigsten Einflussfaktoren auf die Kundenbindung ist die Zufriedenheit. Langfristige Zufriedenheit führt zu höher Loyalität und macht im Besten Fall Kunden zu Fans. Regelmässige Kundenzufriedenheits-Umfragen sind heute für jedes Unternehmen Pflicht. Aber insbesondere ein gut funktionierendes Beschwerde-Management stellt sicher, dass Kunden auch bei einem negativen Erlebnis nicht zum Mitbewerb wechseln. Ein attraktives Loyalitäts-Management reduziert die Wechselbereitschaft zusätzlich. Eine andere Möglichkeit, Kunden langfristig an ein Unternehmen zu binden, sind z.B. Wartungsverträge mit einer fixen Laufzeit im B2B Umfeld. Durch den Einsatz eines modernen CRM-System (Customer Relationship Management, z.B. Salesforce, Dynamics365) können diese Verträge optimal gemanaged werden, und z.B. vor Ablauf verlängert werden.
Trotz optimaler Kundenbindung wird es immer wieder vorkommen, dass man als Unternehmen Kunden verliert. Die Kundenrückgewinnung ist in der Regel mit ebenso hohen Kosten wie die Kundengewinnung verbunden. Daher sollte genau analysiert werden, ob sich eine Rückgewinnung lohnt. Drei Fragen sollte sich ein Unternehmen hierbei stellen: 1. Wie wertvoll ist der abgesprungene Kunde? 2. Aus welchem Grund ist er abgesprungen? Wie gewinnen wir ihn zurück? Die Kundenrückgewinnungs-Strategie sollte also in jedem Fall eine Instrument zur Befragung enthalten, um zu Erfahren warum dieser «abgewandert» ist. Eine Analyse daraus gibt dem Unternehmen wichtige Erkenntnisse, wie die zuvor beschriebene Strategie zur Kundenbindung angepasst werden kann.
Fazit:
Effektive Kundenbeziehungsstrategien sind als das Grundgerüst für ein nachhaltiges und funktionierendes Kundenbeziehungs-Management. Dabei sollte aber nie vergessen werden, dass nur der Wandel beständig ist. Die einmal erarbeiteten Strategien sollten in regelmässigen Abständen hinterfragt und angepasst werden.