Aus dem Unterricht Key Account Management 2019 berichtet Andy Krapf
Die Digitalisierung, Professionalisierung des Einkaufs oder die zunehmende Komplexität prägen seit den Nullerjahren den betrieblichen Alltag. Die Post stand auch vor diesen Herausforderungen und hat sich 2003 entschieden, die Kunden durch Direktverantwortliche oder Single Points of Contact (SPOC) zu betreuen. Die Kunden wurden dabei in Brief- respektive Paketkunden, nach Branchen und in Regionen aufgeteilt. Die wichtigsten Kunden der Post, mit einem Jahresumsatz und einem potentiellen Umsatz von über CHF XY Mio., werden seither durch spezialisierte Key-Account-Management-Teams betreut.
Direktverantwortliche kennen Trends und Treiber der Kunden, stossen Initiativen an, schliessen Neugeschäfte ab, spielen Learnings ins Unternehmen zurück, pflegen Beziehungen und sichern die bestehenden Umsätze mit den Kunden.
Gemäss John Charles gibt es vier Ebenen in Geschäftsbeziehungen. Wenn keine Beziehung etabliert ist oder wenn man als Unternehmen neu am Markt auftritt, wird man als «Lieferant» wahrgenommen. Besteht zwischen zwei Unternehmen eine etablierte Geschäftsbeziehung, spricht man von einem «bewährten Lieferanten». Die nächste Stufe erreicht ein Unternehmen, wenn sich ein Kunde bei Herausforderungen proaktiv meldet und gemeinsam mit ihnen nach Lösungsansätzen sucht. In dieser Stufe wird ein Zulieferer als «Problemlöser» wahrgenommen. In der vierten und höchsten Stufe einer Geschäftsbeziehung wird ein Partner als «strategischer Berater» in die Planung künftiger Geschäftstätigkeiten mit eingebunden. Bei der Schweizerischen Post kümmern sich die Direktverantwortlichen täglich darum, dass die wichtigsten Kunden die Post als wertvollen Partner sehen und mit ihr die Zukunft planen. Damit man Schlüsselkunden massgeschneiderte Lösungen verkaufen kann, muss man die Kunden verstehen. Gute Direktverantwortliche setzen sich mit Branchen und Kunden auseinander, stellen Fragen und möchten verstehen, warum ein Kunde etwas tun möchte. Die Account-Planung wird bei der Post entsprechend akribisch ausgeführt.
Im Rahmen einer Portfolio-Analyse werden Kunden in A-, A+-, B- und C-Kunden eingeteilt. Mit A-Kunden generiert die Post hohe Umsätze, aber das Potential ist ausgeschöpft. Ein A+-Kunde hat hohes Potential und erzielt hohe Umsätze. Ein B-Kunde hat grosses Potential, bringt aber wenig Umsatz. Mit C-Kunden macht die Post wenig Umsatz, und Potential weisen diese Kunden auch nicht auf. Auf welche Kunden sich die Direktverantwortlichen fokussieren, hängt dabei von der Marktpenetration ab.
Bei der Account-Planung werden die Kunden anschliessend durchleuchtet. An Entscheidungsprozessen beteiligte Personen werden anhand vielfältiger Kriterien eingeteilt und die politischen Strukturen beim Kunden abgebildet. Trends, Treiber und Initiativen von Branchen werden herausgearbeitet. Ausserdem schauen sich die Direktverantwortlichen die bisherige Geschäftsbeziehung genau an und versuchen zu klären, wie viel Potential ein Kunde zusätzlich hat. Basierend auf den zur Verfügung stehenden Informationen werden Ziele, Strategien und Massnahmen pro Kunde abgeleitet.
Bei der praktischen Umsetzung fokussieren sich die Direktverantwortlichen auf die «richtigen» Opportunitys. Eine solche ist gegeben, wenn
- ein Projektteam beim Kunden existiert,
- das Projekt beim Kunden hohen strategischen Wert geniesst,
- ein zwingender «Pain» beim Kunden vorhanden ist und
- Budget zur Verfügung steht.
- Wenn eine solche Opportunity gegeben ist, geht es wieder in die Planung. Dabei greifen die Direkt-verantwortlichen folgende Fragen auf:
- Sind wir wettbewerbsfähig?
- Können wir gewinnen?
- Lohnt es sich zu gewinnen?
- Was brauchen wir, um zu gewinnen?
Wie man unschwer erkennen kann, geniesst die Planung bei John Charles einen hohen Stellenwert. Sein Mantra «If you fail to plan, you plan to fail!» zog sich durch den Morgen, den wir mit ihm verbracht haben, und hat sich tief in die Köpfe der Studenten eingegraben.
Fazit
Die meisten Studenten in unserem CAS arbeiten in KMUs. Die Angebote, die diese Unternehmen an ihre Kunden liefern, sind oftmals nicht massgeblich für den strategischen Erfolg eines Kunden verantwortlich. Deshalb stehen Unternehmen vor der Herausforderungen über Angebotserweiterungen und/oder Zusatzdienstleistungen ihre Kundenbeziehung zu verbessern. Sonst laufen Unternehmen Gefahr sich einem zunehmenden Preiskampf auzusetzen. John Charles hat eine Vielzahl an spannender Ansätzen aufgezeigt, welche die Studenten in die Unternehmen tragen können.