KI bzw. künstliche Intelligenz wird grosses Potential in Unternehmen zugesprochen. Bisher ist der Vertrieb im Vergleich zu anderen Abteilungen in Unternehmen wenig digitalisiert. Deshalb stellt sich die Frage, wie sieht das Potential von KI im Vertrieb aus?
Grundsätzlich gilt es zwei KI-Arten zu unterscheiden: Generative AI und Predictive AI. Generativ AI wird für die Erstellung neuer Inhalte eingesetzt: Text, Videos, Musik, etc. Predictive AI analysiert Daten und ermöglicht Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen. Zwar erhält Generative AI im Moment viel Aufmerksamkeit aber wir sehen gerade Predictive AI als grossen Hebel für den Vertrieb. Neben den unterschiedlichen KI-Arten gilt es den Einsatzort zu unterscheiden: Front-End und Back-End. Warum ist diese Unterscheidung so wichtig? Weil die Digitalisierung im Vertrieb bisher zu stark auf das Front-End abstellt. Front-End bezeichnet die Kundeninteraktionen. Als klassisches Beispiel ist der Chat-Bot zu sehen. Kunden können Anfragen an das Unternehmen stellen und die Chat-Bots unterstützt mit KI werden immer besser, die Anfragen zu beantworten. Klingt sehr gut, wenn halt nicht nur durchschnittlich 5% der Kunden in der Schweiz einen Chat-Bot nützen würden. Ganz zu schweigen von der Zufriedenheit mit den Tools. Back-End auf der anderen Seite stellt vor allem auf die Daten ab. Hier ist das grösste Potential aber auch die grösste Herausforderung für Unternehmen KI im Vertrieb erfolgreich einsetzen zu können. So ist die aktuelle Datenqualität in den meisten Unternehmen zu gering für den Einsatz von KI. Die Systeme sind veraltet, oft noch nicht in der Cloud und unverbunden. Somit ist das IT-Ecosystem noch nicht KI-Ready. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Use-Cases vorgestellt und eine Einschätzung vorgenommen auf Basis unserer KI-Beratung.
Wie kann KI im Vertrieb genutzt werden?
Wir sehen aktuell, dass KI im Vertrieb vor allem auf den Front-End-Case Chat-Bot abstellt. Hier gibt es zahlreiche Anbieter, die selbst in Schwizer-Dütsch versuchen zu überzeugen. Drift ist hier ein Beispiel. Grundsätzlich ist gegen diese Art der Anwendung von KI nichts einzuwenden. Es gilt aber kritisch zu prüfen, ob dies aktuell der optimale Einstieg in KI ist. Denn es werden Ressourcen gebunden, es werden viele Diskussionen auf Basis von Unsicherheiten geführt und wenige Kunden werden dieses Tool nutzen. Deshalb empfehlen wir den Einstieg in KI im Vertrieb im Back-End.
Use-Cases für KI im Back-End sind:
- Automatisierung Routineaufgaben
- Prozessautomatisierungen
- Datenauswertung
- Sales Enablement
(1) Zahlreiche Anbieter werben mit der Unterstützung bei der Automatisierung von Routineaufgaben, wie bspw. Dateneingabe, E-Mail-Kommunikation und Auftragsverwaltung. Hier bietet KI inzwischen schon ein gewisses Effizienzsteigerungspotential. So werden die Formulierungen von E-Mails optimiert und der Versand zum optimalen Zeitpunkt ermöglicht. Apollo ist hier ein Beispiel. Eine Befragung von 1.400 Personen ergab, dass dieser Use-Case am wichtigsten gesehen wird. Solch eine Anwendung unterstützt Mitarbeiter, birgt aber auch ein beschränktes Gewinnsteigerungspotential. Darüber hinaus gilt es abzusichern, dass gerade die Inhalte gegenüber den Kunden noch einen persönlichen Touch erhalten. Somit ist es doch wieder erstaunlich, dass dieser Use-Case so hoch bewertet wird.
(2) Prozessautomatisierung sind ein weiteres Anwendungsfeld. KI kann Verbesserungsvorschläge zu den bestehenden Prozessen aufzeigen. Das setzt voraus, die Prozesse sind digital dokumentiert und die einzelnen Prozessstufen werden auch über KPIs überprüft. Meist wird in Verbindung mit dem Chat-Bot „nur“ auf eine bessere Kundeninteraktionen abgestellt. Dies ist in Unternehmen ein Optimierungspotential aufgrund von fehlenden Zuständigkeiten und anderen Gründen. Hier kann KI helfen. Die wirklich tiefe Integration von KI in Vertriebsprozesse setzt (ausser im E-Commerce) voraus, dass jeder Mitarbeiter sehr genau Informationen über einzelne Prozessschritte dem Unternehmen zur Verfügung stellt. Hier sehen wir eine grosse Herausforderung, dass die Mitarbeiter im Vertrieb diese Tätigkeit ausführen. Schnell kommt hier das Gefühl der Kontrolle auf. Somit grundsätzlich eine Möglichkeit aber aus unserer Sicht nicht der Startpunkt für KI im Vertrieb.
(3) Die Datenauswertung kann durch KI erfolgen. Dabei sind aber mehrere Punkte zu berücksichtigen:
- Die relevanten Systeme sind in der Cloud verbunden
- Es werden auch wertvolle Einstellungsdaten gesammelt
- Der Vertrieb hat die Datensammlung als Bonuskomponente in der Vergütung
- Es liegt ein eigenes Datensystem vor
- Es wird eine eigene Daten-KI eingeführt und konstant weiterentwickelt.
Aus unserer Sicht bietet die Datenauswertung das grösste Potential für KI im Vertrieb. Da aber die Ausgangslage meist nicht ideal ist, empfehlen wir Unternehmen jetzt hier alle KI-Aktivitäten zu konzentrieren. Auch wenn die Punkte 1 und 2 einfacher und schneller in der Umsetzung sind, so ist die Datenauswertung der Kern für den zukünftigen Erfolg. Die Datenauswertung mittels KI kann die folgenden Punkte unterstützen:
- Lead-Scoring
- Sales Forecasting
- Churn-Prediction
- Cross-/Up-Selling-Potential
Gerade Microsoft und Salesforce überbieten sich aktuell mit den Möglichkeiten ihrer Systeme. Dabei gilt es für Unternehmen kritisch zu prüfen, ob die Abhängigkeit in Verbindung der Qualität der Systeme und den Kosten optimal ist. Wir empfehlen den Aufbau einer eigenen Datenplattform und die Etablierung einer eigenen KI für die Datenanalyse, die zielgenau die einzelnen Vertriebsziele unterstützt. Lead-Scoring und Forecasting sind dabei die eher einfacheren Aufgaben. Wobei anzumerken ist, dass es viele Kunden, Vertriebsmitarbeiter und Bestellungen benötigt, damit die Berechnungen nicht zu fehleranfällig sind. Churn-Prediction ist schon deutlich komplexer via KI abzubilden. Die grösste Herausforderung aber eben auch das grösste Potential liegt im Cross-/Up-Selling. Hier beobachten wir, dass die grossen B2B-Hersteller in der Schweiz inzwischen eigene Entwicklungen etabliert haben bzw. dabei sind diese zu etablieren, um erfolgreicher im Vertrieb zu sein. Für kleinere Unternehmen können wir deshalb nur empfehlen, auch diesen Weg zu gehen und trotz den grossen Versprechen der vielen CRM- und Automations-Anbieter die Datenanalyse in die eigenen Hände zu nehmen.
(4) Sales Enablement baut auf der Datenanalyse auf und verbindet Prognosen mit Inhaltsvorschlägen. Die Anwendungen sind noch sehr grundlegend können aber schon unterstützen. Ein Beispiel ist Gong oder Exceed. Hier bedarf es sicher noch etwas Zeit um zu bestimmen, welche Umsetzung zu empfehlen ist. Zu viel KI gerade auch in der Content-Erstellung kann auch bedeuten, dass die Kunden das Gefühl haben, mit einer Maschine zu interagieren. Deshalb braucht es noch mehr Erfahrungen bezüglich der optimalen Verbindung von KI und Vertriebsmitarbeiter. Wir empfehlen aktuell den Fokus auf die Datenanalyse, weil dies am meisten Zeit für die Umsetzung bedeutet und den grössten Gewinnhebel ermöglicht.
Insgesamt ist KI eine grossartige Unterstützung für den Vertrieb. Gerade das Thema Cross-Selling, das in vielen Unternehmen bisher kaum umgesetzt werden konnte, kann mit KI selbst für kleine Unternehmen systematisch angegangen werden. Eine Herausforderung besteht in der technischen Umsetzung. Sind Standardsysteme wirklich so leistungsfähig, wie aktuell auf den Webseiten angekündigt und wie ist der ROI von diesen Systemen zu beurteilen? Hier sehen wir eine grosse Gefahr, dass sich Unternehmen in eine Abhängigkeit begeben, aus Angst den Anschluss zu verlieren.