Es wird davon ausgegangen, dass – egal ob B2B oder B2C – Kunden die Kaufentscheidung schon zu durchschnittlich 70 % getroffen haben, bevor sie mit einem Verkaufenden digital oder persönlich in Kontakt treten. Die Consumer Decision Journey von McKinsey geht davon aus, dass Kunden nach der aktiven Evaluation direkt zum Kauf schreiten. Im Rahmen unserer Projekte konnten wir aber zwei weitere Phasen identifizieren, die es zu beachten gilt: Die Confirmation-Phase und die Re-Confirmation-Phase. Diese gilt es besonders bei extensiven Kaufentscheidungen zu berücksichtigen, die meist aus Unsicherheit, wegen eines höheren Kaufbetrags oder wegen des mit dem Kauf verbundenen Prestiges mit einem hohen Involvement verbunden sind. Sie sind somit kennzeichnend für die meisten B2B-Kaufentscheidungen und extensive sowie limitierte Kaufentscheidungen in B2C-Branchen. Deshalb haben wir den Customer Purchase Process entwickelt, der noch gezielter auf die Zeit direkt vor und nach dem Kauf eingeht.
Wenn sich Kunden immer besser im persönlichen Netzwerk und online informieren können, benötigen sie für die Entscheidung immer weniger den POS des Anbieters. So werden immer mehr Entscheidungen beim Kauf von Reisen, Elektronik, Versicherungen etc. getroffen, ohne einen Touchpoint des Herstellers zu besuchen. Nachdem z. B. in einem Vergleichsportal, in einem Gespräch mit Freunden oder aufgrund eines Testberichts eine Entscheidung gefällt wird, neigen Kunden dazu, ihre Entscheidung bei den Touchpoints und vor allem am POS der Organisation zu bestätigen. Dies führt zu einer fundamental veränderten Perspektive auf den Einkaufsprozess von Kunden. Der Customer Purchase Process greift diesen Punkt auf und erlaubt einen tieferen Einblick in die verbleibenden Möglichkeiten für Unternehmen.
Dem Verkaufenden kommt eine neue Rolle zu. In der Vergangenheit besassen die meisten Kunden nur ein eingeschränktes Wissen und die Möglichkeiten, sich zu informieren, waren begrenzt. Das bedeutet nicht, dass die Kunden heute objektiv über bessere Informationen verfügen, sondern dass sie das subjektive Gefühl haben, weniger Unterstützung bei der Kaufentscheidung durch Verkaufende zu benötigen. Ein weiterer Effekt ist das systematische Kostensparen in fast allen Branchen im Bereich des persönlichen Verkaufs, das diese Berufsgruppe immer stärker unter Druck setzt. Verkaufende erhalten weniger Ausbildung, sind leichter frustriert und wechseln häufiger den Arbeitsplatz. Im Ergebnis haben Kunden zunehmend das Gefühl, „besser“ informiert zu sein als der Verkaufende.
Nach der Evaluation konnten wir eine neue Phase ermitteln. Die Confirmation-Phase ist eine Prozessstufe innerhalb des Customer Purchase Process, die auf der subjektiv wahrgenommenen hohen Sicherheit der Kaufentscheidungen aufbaut, aber getätigt wird, um letzte Zweifel auszuräumen.
Kunden suchen immer häufiger einen POS auf, um ihre Entscheidung zu bestätigen. Das bedeutet bei manchen Kaufentscheidungen aber auch, dass ein POS besucht wird, um zu bestätigen, dass diese Marke für den Kunden nicht infrage kommt. Im Ergebnis stellt sich für jede Organisation die Frage: Können wir Kunden, die sich schon zu 70 % sicher sind, unsere Marke nicht zu kaufen, vom Gegenteil überzeugen, und lohnt sich diese Aufgabe finanziell für die Organisation? Hier kann keine pauschale Aussage getroffen werden, weil die Kaufentscheidung immer von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist. Aber einfach ist es nicht.
Unternehmen und deren Verkaufenden kommt deshalb im Rahmen des Customer Purchase Process die zentrale Aufgabe zu, möglichst früh herauszufinden, ob der Kunde seine Kaufentscheidung positiv oder negativ konfirmieren möchte.
Eine weitere Phase, die es zu berücksichtigen gilt, ist der Kaufentscheidung nachgelagert. Kunden besuchen nach dem Kauf noch mal Kontaktpunkte des Unternehmens, um ihre Entscheidung zu re-konfirmieren. Bei grösseren Anschaffungen muss oft mit Wartezeiten gerechnet werden, bis die Ware geliefert wird bzw. genutzt werden kann. Auch Online-Shopping führt dazu, dass Kunden auf die Waren warten müssen. Sie nutzen diese Zeit, um ihre Entscheidung noch mal zu bestätigen und sich über die Kaufentscheidung zu freuen. Für Unternehmen besteht hier die Möglichkeit, mögliche kognitive Dissonanzen aufzulösen bzw. die Freude über den Kauf zu stärken.
Die Re-Confirmation-Phase ist eine Stufe innerhalb des Customer Purchase Process, die das Warten auf das Angebot beschreibt und dadurch gekennzeichnet ist, dass Kunden ihren Kauf an den unterschiedlichen Touchpoints noch mals bestätigen, obwohl der Kauf schon getätigt wurde.
Innerhalb der Re-Confirmation-Phase ist noch eine weitere Unterteilung möglich. Bei B2B- und extensiven sowie limitierten B2C-Kaufentscheidungen befinden sich die Kunden ab dem Besitz einer Ware für eine gewisse Zeit in einer emotional positiv besetzten Phase. Dies ist vergleichbar mit den Flitterwochen. Nach dem Erwerb ist der Kunde hoffentlich glücklich über die neue Errungenschaft und genießt die Nutzung. Probleme tauchen meist erst später auf.
Honeymoon bezeichnet die Phase innerhalb der Re-Confirmation- und Usage Experience-Phase kurz nach dem Kauf, in der Kunden eine hohe Aufmerksamkeit gegenüber der Organisation besitzen.
Diese Phase hat aus zwei Gründen einen hohen Stellenwert. Zum einen kann durch weitere Kundenbeziehungsaktivitäten das positive Erlebnis bei der Übergabe oder kurz nach dem Besitz noch weiter gesteigert werden. So können im B2B-Kontext unerwartete Zusatzdienstleistungen umsonst angeboten werden. Für Endkunden können Probierangebote beigelegt werden. In dieser Phase sind Kunden besonders aufmerksam gegenüber der Organisation. Es können zusätzliche Botschaften gesendet werden, die, wenn optimal auf den Kunden ausgerichtet, dazu führen können, dass er beim kommenden Kauf mehr oder weniger sofort zur gleichen Marke greift. Zum anderen kann in dieser Phase davon ausgegangen werden, dass Kunden deutlich eher bereit sind, weiterzuempfehlen und auch deutlich öfters weiterempfehlen.
Unternehmen sind somit gut beraten, diese drei Phasen (Confirmation-, Re-Confirmation- und Honeymoon-Phase) in ihre Überlegungen zu integrieren und die Kundenbeziehungsaktivitäten optimal darauf auszurichten. Der Customer Purchase Process dient damit als eine Strukturierungsgrundlage für den Verkauf und das Marketing.
Unser Angebot im Bereich Kundenorientierung Beratung
Kundenorientierung ist in aller Munde. Dabei reicht es nicht aus, begeisternde bzw. möglichst einfache Erlebnisse zu definieren. Es gilt, die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an Veränderungen im Einkaufsverhalten der Kunden sicherzustellen. Als spezialisierte Beratung Kundenorientierung verfügen wir über Tools und Erfahrungen, Dich bei Deiner Transformation zur Verbesserung der Kundenorientierung erfolgreich zu unterstützen.
Das Buch zum Thema
Der Customer Purchase Process wird umfassend im Buch Kundenorientierung ab Seite 96 vorgestellt. Dabei werden auch Praxisbeispiele geliefert und zusätzliche Empfehlungen für die einzelnen Stufen ausgesprochen. Ein vertiefendes Verständnis über den Customer Purchase Process lohnt sich für jede Marketing- und Vertriebsabteilung.