Die Entwicklung einer Strategie ist durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet. Dies resultiert aus der Notwendigkeit eines integrierten Vorgehens, da die Entscheidungen nicht nur einen Teil, sondern stets die gesamte Organisation betreffen. Daraus können sich vielfältige, wenig voraussagbare, ungewisse Verhaltensmöglichkeiten ergeben. Die Anzahl an möglichen Zielen, die auch in einem Widerspruch zueinander stehen können, und die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung verbinden sich zu einem komplexen Problem. Im Rahmen der Digitalisierung wird proklamiert: „the strategic plan may indeed be dead“. Es etabliert sich der Begriff „Stractics“, welches auf eine Planung abzielt, die eng verbunden mit den Instrumenten ist. Diese Perspektive auf Strategie ist aus unserer Sicht ermüdend. Auch wird diskutiert, ob das Spannungsfeld zwischen Strategien (hohe Flexibilität) und den in einer Organisation angelegten Strukturen (niedrigere Flexibilität) aufgelöst werden kann.
Neben der starren Planung von Strategien sollte viel eher die Reagibilität einer Organisation in den Fokus rücken. Antizipation und Flexibilität gilt es möglichst gleichzeitig zu denken. Somit drückt sich der Erfolg der Strategieentwicklung nicht nur in dem Planungsergebnis aus, sondern auch in der Antwortfähigkeit einer Organisation aufgrund von Veränderungen. Organisationen, welche sich kritisch mit der mittel- und langfristen Planung ihrer Zukunft beschäftigen, haben mehr vom Erfolgsfaktor Zeit als ihre Wettbewerber. Die Frage, die in Zeiten der Corona-Pandemie am drängendsten war, lautet: Wie sieht die Exit-Strategie aus dem Lock-down aus? Wie schwierig es den Verantwortlichen fiel, eine Strategie zu entwickeln und vor allem im Netzwerk (Europa/Welt) abzustimmen, kann als ein Beleg dafür gesehen werden, wie wichtig die Strategieentwicklung grundsätzlich in einer Organisation ist. Dabei ist vor allem auch das Vertrauen, das eine kommunizierte Strategie den Mitarbeitenden vermittelt, nicht zu unterschätzen. Wir erleben, dass Strategie immer mehr als etwas Störendes wahrgenommen wird. Verkürzt wird dem jungen Mintzberg gefolgt, dass sich die Strategie nur aus einzelnen Aktivitäten einer Organisation ergibt. Mintzberg hat diese Perspektive später allerdings relativiert, aber der Glaube, dass Geschwindigkeit der wesentliche Erfolgsfaktor ist und der Wandel immer dynamischer wird, stellt den Mehrwert strategischen Denkens und strategischer Planung infrage. Aus unserer Sicht geht es um die Reagibilität, die auf der Qualität der Lernprozesse einer Organisation aufbaut. Lernen wird durch die Anwendung strategischer Planung unterstützt, indem mögliche Fehleinschätzungen im Rückblick systematisch analysiert werden können. Deshalb kommt der Trendanalyse als Vorbereitung für die strategische Planung ein großer Stellenwert zu, damit eine Organisation das Lernen fördern kann. Exemplarisch für das inzwischen eigenwillige Verständnis bezüglich Strategie soll hier Bungay genannt werden, der folgende fünf Glaubenssätze zu Strategie veröffentlichte:
- Strategie bezieht sich nur auf die ferne Zukunft.
- Disruptoren ändern ihre Strategie andauernd.
- Es gibt keinen Wettbewerbsvorteil mehr.
- Es braucht keine Strategie – Agilität allein reicht aus.
- Es bedarf unbedingt einer digitalen Strategie.
Diese fünf Punkte repräsentieren mehr oder weniger den aktuellen Zeitgeist und sind aus unserer Sicht alle falsch. Strategie bezieht sich, wie ausgeführt, vor allem auf das Lernen und Anpassen einer Organisation im Hier und Jetzt und nicht nur auf die Planerstellung für eine ferne Zukunft. Sie unterstützt die notwendige Customer-centric Transformation einer Organisation, die ebenfalls eine mittel- bis langfristige Perspektive besitzt. Die meisten Disruptoren bauen auf der von Bruce Henderson formulierten Strategie auf: Preisreduktion und Kapazitätserhöhung. Auch wenn das heute Hypergrowth genannt wird, die Idee ist die gleiche. Bei einer Erhöhung des Produktionsvolumens lassen sich Kosten einsparen, und diese können den Kunden vorab durch Preisreduktionen weitergegeben werden. So viel Veränderung ist bei den „Disruptoren“ somit hinsichtlich der Strategie nicht auszumachen. Grundsätzlich ist es schwieriger, einen Wettbewerbsvorteil zu halten, deshalb gehen Organisationen dazu über, mehrere Wettbewerbsvorteile aufzubauen, um sich zu behaupten. Aber dass es gar keinen Wettbewerbsvorteil mehr gibt, ist eine extreme Sichtweise. Eine Strategie bildet einen Rahmen für die Entscheidungsfindung in einer Organisation. Agiles Arbeiten ist eine Kompetenz, die aber umso mehr einen klaren Rahmen benötigt, damit die einzelnen Teams möglichst zielgerichtet zusammenarbeiten können. Allein der Begriff „digitale Strategie“ ist aus der Perspektive der Kundenorientierung zu vermeiden. Er kann ein Silo-Denken in der Organisation fördern und gerade das gilt es möglichst zu reduzieren. Vor ein paar Jahren gab es den Begriff E-Business Strategie, jetzt digitale Strategie. Klingt gut – aber Strategie ist einfach Strategie.
Definition Strategie
Strategie bedeutet demnach, sein Denken, Entscheiden und Handeln an den übergeordneten oder obersten Zielen oder Zielvoraussetzungen zu orientieren und sich dabei nicht durch vordergründige Dringlichkeiten, das heisst Augenblicksvorteile und -nachteile, ablenken zu lassen.
Wir stimmen aber zu, dass der Aufwand und der Umfang der strategischen Planung inzwischen möglichst gering zu halten sind und der Fokus auf einem Ausprobieren sowie auf der Kontrolle der Planungsprämissen liegen sollte anstatt auf der Ausarbeitung umfassender Pläne, die sich schnell ändern können. Somit unterscheidet den klassischen Strategieprozess von dem modernen Strategieprozess der Umfang der Gewinnung von Kundenerkenntnissen (nicht allgemein! – nur für die Strategieentwicklung) und der Fokus auf ein Ausprobieren anstelle eines deterministischen Umsetzens. Die Ansicht, dass Strategie als induzierten, deterministischen Planungsprozess zu begreifen ist, wurde aber schon von Mintzberg relativiert. Die Strategieentwicklung steht darüber hinaus vor der Herausforderung, Zentralisierung und Autonomie optimal zu verbinden. Wenn Entscheidungen im Rahmen der Kundenorientierung stärker auf die Mitarbeitenden verlagert werden, ergeben sich neue Herausforderungen. Auf der einen Seite ist der Aufwand für die Strategieentwicklung möglichst gering zu halten, auf der anderen Seite sollten eigentlich mehr Mitarbeitende integriert werden. Diese Entwicklung führt dazu, dass Strategieentwicklung als Kompetenz einer Organisation immer mehr erodiert und dadurch zwar die vermeintliche Geschwindigkeit von Entscheidungen zunimmt, aber die Reagibilität auf Basis eines Lernprozesses unter die Räder kommen kann. Darüber hinaus wird meist nur der Zeithorizont der strategischen Planung angesprochen bzw. dieser kritisiert, aber strategisches Denken bezieht sich nicht nur auf die Zeit, sondern auch auf die Entwicklung von Entscheidungsoptionen. Gerade bei zunehmender Unsicherheit sind die Entwicklung von Optionen und deren kontinuierliche Überprüfung elementar für den Erfolg einer Organisation.
Unser Angebot im Bereich Kundenorientierung Beratung
Kundenorientierung ist in aller Munde. Dabei reicht es nicht aus, begeisternde bzw. möglichst einfache Erlebnisse zu definieren. Es gilt, die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an Veränderungen im Einkaufsverhalten der Kunden sicherzustellen. Als spezialisierte Beratung Kundenorientierung verfügen wir über Tools und Erfahrungen, Dich bei Deiner Transformation zur Verbesserung der Kundenorientierung erfolgreich zu unterstützen.
Das Buch zum Thema
Das Thema Strategieentwicklung wird umfassend im Buch Kundenorientierung ab Seite 403 vorgestellt. Dabei werden auch Praxisbeispiele geliefert und zusätzliche Empfehlungen für die einzelnen Ebenen ausgesprochen. Ein vertiefendes Verständnis über die Strategieentwicklung lohnt sich.