Verkaufsansätze kommen meist aus den USA und haben eine lange Tradition. Denn in den USA steht Marketing und Verkauf mindestens auf Augenhöhe mit der Produktentwicklung. In Europe steht bzw. stand immer das Produkt bzw. Angebot im Vordergrund. Wie verkauft wird – war eher nebensächlich bzw. die Aufgabe von Menschen, die viel reden und es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Aber Verkauf ist ein Handwerk und der Verkaufsansatz der Kern eines jeden Vertriebssystems. In Europe nutzen vor allem IT-Unternehmen im Verkauf systematische Verkaufsansätze. In vielen Branchen ist die methodische Vorgehensweise unbekannt und wird nicht eingesetzt.Â
Dabei hat sich er Verkauf in den letzten 50 Jahren sehr gewandelt – einem produktzentrierten Ansatz hin zu einem kundenorientierten, beratungsbasierten und zunehmend digitalen Verkaufsprozess.
1970er Jahre – Produktorientierter Verkauf
In den 1970er Jahren dominierte der klassische Hard-Selling-Ansatz. Verkäufer agierten als aktive Überzeuger, der Fokus lag auf dem Produkt und seinen Eigenschaften. Persönliche Verkaufsgespräche, Kaltakquise und aggressive Verkaufstaktiken prägten das Bild. Der Kunde spielte eine eher passive Rolle im Verkaufsprozess.
1980er Jahre – Lösungsorientierter Verkauf
In den 1980er Jahren setzte sich zunehmend der lösungsorientierte Verkauf durch. Verkäufer begannen, sich stärker mit den Bedürfnissen und Problemen des Kunden auseinanderzusetzen. Der Vertrieb verlagerte sich von einer reinen Produktpräsentation hin zu einem beratenden Ansatz, bei dem das Produkt als Lösung für spezifische Kundenprobleme positioniert wurde.
1990er Jahre – Beziehungsorientierter Verkauf
Die 1990er Jahre brachten einen Wandel hin zum Relationship Selling. Langfristige Kundenbeziehungen und Vertrauen wurden zentrale Erfolgsfaktoren im Vertrieb. Verkäufer wurden zu Beratern und Partnern, die durch individuelle Betreuung und massgeschneiderte Angebote Kundenbindung stärkten. CRM-Systeme (Customer Relationship Management) gewannen an Bedeutung.
2000er Jahre – Consultative Selling und Beginn der Digitalisierung
Ab 2000 nahm der Consultative Selling-Ansatz an Bedeutung zu: Der Verkäufer agierte als strategischer Berater, der den Kunden in komplexen Entscheidungsprozessen unterstützte. Gleichzeitig begann die Digitalisierung des Vertriebs, etwa durch Online-Präsentationen, E-Mail-Marketing und erste E-Commerce-Plattformen. Kunden informierten sich zunehmend selbstständig vor dem Kauf.
2010er Jahre – Inbound Selling, Social Selling und datenbasierter Vertrieb
Im letzten Jahrzehnt wurde der Vertrieb zunehmend daten- und technologiegetrieben. Kunden nutzen das Internet intensiv zur Informationsbeschaffung, was zu einer Verlagerung hin zum Inbound Selling führte: Der Kunde findet zum Verkäufer, nicht umgekehrt. Social Selling (z. B. über LinkedIn) sowie der Einsatz von CRM-, Marketing-Automation- und Analytics-Tools prägten den modernen Vertrieb. Die Personalisierung von Angeboten und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Kundenanalyse ist auf dem Vormarsch.Â
Vertrieb Beratung
Die chronologische Übersicht soll einen grundlegendes Verständnis über die Veränderungen im Verkauf aufzeigen. Im Folgenden stellen wir einzelne zentrale Verkaufsansätze kurz vor, um einen Einblick in dieses doch recht unbekannte Themenfeld zu bieten.Â
Consultative Selling
Mack Hanan veröffentlichte sein Buch schon in den 1970er Jahren. In diesem Buch stellte Hanan ein neues Verkaufsparadigma vor: Statt einfach Produkte zu verkaufen, solle der Verkäufer als Berater auftreten, der dem Kunden hilft, geschäftliche Probleme zu lösen und Mehrwert zu schaffen – oft gemessen in Return on Investment (ROI) oder Produktivitätssteigerung. Spätere Ansätze gingen mehr auf den Mehrwert ein. Aber das spannende an diesem Ansatz ist, dass es den Verkäufer zwingt, möglichst genau den ROI für den Kunden zu bestimmen. Eine Aufgabe, die nicht ganz trivial ist.Â
Wichtige Merkmale von Consultative Selling:
- Der Fokus liegt nicht auf dem Produkt, sondern auf den Zielen und Herausforderungen des Kunden.
- Der Verkäufer agiert als vertrauenswürdiger Berater, nicht als blosser Anbieter.
- Die Verkaufsstrategie ist fragend und analysierend statt argumentierend.
- Ziel ist es, eine massgeschneiderte Lösung zu entwickeln, die konkreten Nutzen bringt.
Strategic Selling
Dieser Ansatz wurde in den 1980er Jahren entwickelt und bekannt gemacht durch die Unternehmensberatung Miller Heiman Group (heute Teil von Korn Ferry). Strategic Selling wurde speziell für komplexe B2B-Vertriebssituationen mit mehreren Entscheidungsträgern entwickelt. Der Ansatz hilft Verkäufern, strategisch durch den Verkaufsprozess zu navigieren, indem sie:
- alle Einflussnehmer und Entscheider in der Kundenorganisation identifizieren,
- deren Rollen, Interessen und Einflussstärke analysieren,
- einen strategischen Aktionsplan für den Verkaufsprozess erstellen,
- und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen, statt kurzfristige Abschlüsse zu forcieren.
Zentrales Element dieses Verkaufsansatzes ist die umfassende Datengewinnung über den Kunden und die anschliessende Analyse. Die Methode ist inzwischen weit verbreitet, steht aber inzwischen in der Kritik, dass der Aufwand zu gross ist. Gerade auch durch das Wachstum des Buying-Centers in den letzten 40 Jahren, kann die Analysearbeit schnell ausarten. Aber viele spätere Verkaufsansätze bauen auf den Grundgedanken dieses Verkaufsansatzes auf.Â
SPIN Selling
Dieser Verkaufsansatz wurde in den späten 1980er Jahren entwickelt und veröffentlicht von Neil Rackham.
SPIN Selling basiert auf einer umfangreichen empirischen Studie, in der Rackham mit seinem Unternehmen Huthwaite Research Group über 35.000 Verkaufsgespräche in mehr als 20 Ländern analysierte. Ziel war es, herauszufinden, was Top-Verkäufer anders machen, insbesondere im komplexen B2B-Vertrieb.
SPIN = vier Fragetypen:
SPIN ist ein Akronym für vier Arten von Fragen, die Verkäufer gezielt einsetzen sollten, um Kundenbedürfnisse zu identifizieren und Lösungen strategisch zu präsentieren:
S – Situation: Informationen zur aktuellen Situation sammeln
P – Problem: Probleme oder Schwachstellen aufdecken
I – Implication: Konsequenzen und Auswirkungen des Problems verdeutlichen
N – Need-Payoff: Nutzen der Lösung herausarbeiten, die der Verkäufer anbietet
Kernaussagen:
Top-Verkäufer reden weniger, stellen mehr Fragen, insbesondere Implication- und Need-Payoff-Fragen.
Erfolgreiche Abschlüsse resultieren nicht aus Drucktechniken, sondern aus dem gezielten Aufbau von Wert für den Kunden.
Dieser Verkaufsansatz ging im Vergleich zum Strategic Selling stärker auf die Kundendatengewinnung bzw. Fragearten ein. Darüber hinaus wird das Verkaufsgespräch in unterschiedliche Phasen unterteilt, in denen sich der Verkäufer anders verhalten sollte.
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Power Base Selling
Dieser Verkaufsansatz wurde erstmals 1990 von Jim Holden veröffentlicht. Der Ansatz baut auf dem Konzept von „Machtstrukturen“ (Power Bases) innerhalb von Kundenorganisationen auf. Holden erkannte, dass in komplexen B2B-Verkäufen nicht nur rationale Argumente entscheidend sind, sondern vor allem Beziehungen zu einflussreichen Personen im Unternehmen – den sogenannten „Power Sponsors“.
Kernelemente von Power Base Selling:
- Identifikation der Power Base: Wer hat im Unternehmen tatsächlichen Einfluss auf Kaufentscheidungen?
- Fokus auf den Aufbau von Beziehungen zu diesen einflussreichen Personen – häufig nicht sichtbar im formalen Organigramm.
Trennung zwischen:
- Power Sponsors (haben echten Einfluss und unterstützen den Verkauf),
- Blockers (stellen sich gegen den Verkaufsprozess),
- und Neutralen.
- Betonung des politischen und zwischenmenschlichen Aspekts im Verkaufsprozess.
Dies ist einer der wenigen Verkaufsansätze, die eine Antwort auf die Zunahme des Buying-Centers hat und die politische Dimension von Einkaufsentscheidungen in den Fokus rückt. Viele Verkaufsansätze gehen davon aus, dass der höhere ROI bzw. das bessere Mehrwertversprechen schon ausreichend ist.Â
Challenger SaleÂ
Challenger Sale wurde im Jahr 2011 durch Matthew Dixon und Brent Adamson entwickelt.
Der Verkaufsansatz basiert auf einer gross
angelegten Studie mit über 6.000 Vertriebsmitarbeitern weltweit, die untersuchte, welche Verkaufspersönlichkeit in komplexen B2B-Situationen am erfolgreichsten ist. Überraschend zeigte sich, dass besonders „Challenger“-Verkäufer in volatilen, wettbewerbsintensiven Märkten überdurchschnittlich gut abschneiden.
Die 5 Verkäufer-Typen laut Studie:
- The Hard Worker – fleissig, ausdauernd, diszipliniert
- The Lone Wolf – unabhängig, selbstbewusst, instinktiv
- The Relationship Builder – kundenorientiert, beziehungsfokussiert
- The Problem Solver – analytisch, detailorientiert, reaktiv
- The Challenger – lehrt den Kunden, stellt ihn herausfordernd infrage, kontrolliert das Verkaufsgespräch
Merkmale des Challenger Sale:
- Teach: Den Kunden mit neuen Erkenntnissen oder Einsichten überraschen („Commercial Teaching“)
- Tailor: Botschaften und Lösungen an die spezifischen Interessen des Kunden anpassen
- Take Control: Den Verkaufsprozess aktiv steuern, auch durchsetzungsfähig mit Preisverhandlungen umgehen
Der Challenger-Ansatz widerspricht traditionellen Methoden wie Relationship Selling, da er zeigt, dass gerade herausforderndes, konfrontatives Verhalten oft erfolgreicher ist als reine Beziehungsarbeit – insbesondere bei komplexen, beratungsintensiven Käufen. So überzeugend die Argumente sind, so sehr tut sich dieser Ansatz schwer in der Schweizer Vertriebslandschaft. Nicht wenige Unternehmen sind mit diesem Ansatz gescheitert. Was die Autoren nicht berücksichtigt bzw. erwähnt hatten ist, dass dieser Ansatz vor allem im Horizont 2 und 3 und vor allem für offene Kunden funktioniert. Dies ist in den USA deutlich öfters der Fall bzw. die Zielgruppe signifikant grösser. Für den Standardvertrieb in der Schweiz von bestehenden Angeboten im Horizont 1 wird dieser Verkaufsansatz sehr schnell zu herausfordernd, auch weil die Verkaufskompetenzen in vielen Unternehmen deutlich höher eingeschätzt werden, als sie wirklich sind.Â
Abschliessend ist es nicht damit getan, einfach einen Verkaufsansatz auszuwählen und zu schulen. Jedes Unternehmen sollte für sich die unterschiedlichen Elemente kritisch überprüfen und eine Kombination wählen, die von den Mitarbeitern überhaupt umgesetzt werden kann, nicht zu aufwendig ist aber auch zu mehr Erfolg und vor allem zum Lernen bzw. Befähigen führt.Â
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